Zum ersten Mal hörte ich The Pickup beim Funktionstest des Air Force One, als er, wie gesagt, im SME V montiert war. Und das Trio bezauberte mit einer derart weiträumigen und luftigen Abbildung, dass ich kurz darüber nachdachte, es ohne jegliche Veränderung zu beschreiben. Nach ein paar Stücken, in denen es vorrangig um die Dimensionen der imaginären Bühne ging, wurde dann aber Jonas Hellborgs unvermeidlicher Elegant Punk per Unterdruck auf den Teller des AFO gesaugt. Damit wurde schnell klar, dass das wohl doch recht ungleiche Trio im Tiefbass nicht an die Geschwindigkeit und den Druck heranreichte, den ich von Brinkmann LaGrange, Thales Simplicity und Lyra Olympos gewohnt bin. Und damit stand fest, dass sich The Pickup erst einmal einer genaueren Betrachtung in ansonsten bekannter Umgebung stellen musste.
Die Montage von The Pickup im Mini-Headshell des Thales geht locker von der Hand. Man sollte beim Einlegen von System und Headshell in die Justage-Einheit nur ein wenig aufpassen, dass die Nadel wegen der recht hohen Bauform des Abtasters nicht mit dem Plexiglas des Justage-Gestells kollidiert. Dieses perfekt gestaltete Zubehörteil des Thales stellt ja sicher, dass man die Ausrichtung des Tonabnehmers anhand des Nadelträgers statt wie sonst anhand der Gehäusekanten des Systems vornehmen kann, was immer dann von Vorteil ist, wenn der Nadelträger nicht perfekt parallel zu einer Kante montiert wurde. Bei The Pickup fällt nur auf, wie präzise mittig das Boronstäbchen mit dem Diamanten ausgerichtet wurde. Ein wenig stört allerdings, dass die zumindest bei meinem Exemplar farblich nicht gekennzeichneten Anschlussstifte des Einstein-Systems ausgesprochen dünn ausfallen. Das machte es nötig, die Feder-Clips am Ende der Tonarmkabel mit einer Pinzette zusammenzudrücken, damit ein sicherer Kontakt entsteht. Ich finde es immer ein wenig heikel, an einer solch sensiblen Verbindung wie der zwischen Tonarmkabel und Anschluss-Clip Kraft anwenden zu müssen.
Aber es ist noch einmal alles gut gegangen und The Pickup wandelt die in den Rillen von Dean Peers Ucross gespeicherten Signale in feine elektrische Spannungen. Die Solo-Elektrobass-Scheibe könnte man als Gegenentwurf zu Elegant Punk ansehen: Geht es Jonas Hellborg darum, den vollen Frequenzgang seines Instruments und seine virtuose Schnelligkeit zu demonstrieren, lebt Dean Peers Spiel von Stimmungen, Klangfarbenmalerei und den im Studio geschaffenen Hallräumen. Und wohl selten waren diese in all ihrer Ausdehnung und Tiefe so fein wahrzunehmen wie mit The Pickup. Aber man kann damit nicht nur in Feininformationen schwelgen. An den wenigen Stellen, an denen es der amerikanische Bassist mal wirklich krachen lässt, beweist der Einstein-Tonabnehmer dann seine dynamischen Fähigkeiten und seine souveräne Tieftonwiedergabe: Sie verbindet Druck und Farbigkeit auf feinste. So werden Dean Peers Monologe zu einem mitreißenden, in sich stimmigen Erlebnis – weit entfernt von einem kurzzeitig interessanten, dann aber nervenden Spektakel.
Vielleicht liegt's an den Erinnerung ans EMT, aber mir fällt gerade eine Scheibe ein, die Volker Bohlmeier 1994 mitproduzierte, über deren Entstehung ich meinen ersten Artikel für eine angesehene Hifi-Zeitung schrieb und die mich lange Jahre als Testscheibe begleitete, inzwischen aber in Vergessenheit geriet: das Reissue von Muddy Waters Folk Singer. Statt wie üblich gleich „Good Morning School Girl“ aufzulegen, fange ich mal vorne an und höre beide Seiten: So differenziert und mit einem so großen Raum habe ich die ehedem vertraute Aufnahme noch nicht erlebt. Das mag natürlich auch damit zu tun haben, dass zu den Zeiten, als ich ohne diesen Song keinen Test für komplett hielt, noch nicht über so gutes Equipment verfügte wie jetzt. Aber ein kurzer Quer-Check mit dem Brinkmann EMT ti im AMG-Arm bestätigt nur die besonderen Fähigkeiten von The Pickup in puncto Raumdarstellung. Die Aufnahmeumgebung wirkt größer, die Instrumente werden räumlich besser voneinander getrennt, und Willie Dixons schon immer leicht rumpelnder Kontrabass besitzt mehr Kontur. Besonders bei den Gitarren fallen plötzlich feinere dynamische Abstufungen auf. Und das beste daran: Die zusätzlichen Informationen tun dem Drive des Songs keinen Abbruch. Im Gegenteil!
Bevor ich mich zwei, drei meiner aktuellen Testscheiben zuwende, tauche ich noch einmal in die Zeit ab, in der Muddy Waters die Aufgabe zukam, mir verlässliche Einschätzungen von Komponenten zu ermöglichen – und zwar zusammen mit Dave Grusin und seinem „Keep Your Eye On The Sparrow“ vom Sheffield Lab Direktschnitt Discovered Again: Hier knallen die Drums, so wie ich es in bester Erinnerung habe, Ritenours E-Gitarre pluckert voller Effekte, Ron Carters Bass kommt mit Macht und für die nicht in allen Lagen hundertprozentig perfekte Aufnahme ausgesprochen definiert: Der ehemalige Klassiker hat nichts von seinem unwiderstehlichen Groove verloren, erstrahlt nun aber in satteren Klangfarben und lässt mehr Details erkennen. The Pickup verbindet packenden Drive mit penibler Feinzeichnung. Analyse und musikalischer Fluss sind hier keine Widersprüche, Spielfreude paart sich mit in keiner Weise vordergründiger Informationsfülle: So werden nostalgische Ausflüge zum Hochgenuss.