tests/12-05-21_guru
 

Guru QM 10 / II

21.05.2012 // Matthias Jung

Das erste, leise Reinhören ist erst mal sehr unspektakulär. Gewöhnen muss man sich vor allem optisch an die kaum noch gewohnte wandnahe Aufstellung. Was als erstes auffällt, ist der Bass. Tief, machtvoll und mit viel Druck. Zuerst denkt man sich, dass das bei der Größe doch absolut unmöglich ist. Etwas später kommt man zum Schluss, den Bass nicht mehr in der Relation zur Größe zu sehen, sondern insgesamt sehr beeindruckend zu finden. Man kann der Versuchung kaum widerstehen, die QM 10 / II mit fiesen, elektronischen Bassattacken von Massive Attack, Björk, Radiohead, Underworld oder K&D zu füttern und darauf zu warten, dass sie einknicken. Eine Kinderei, werden Sie sagen, aber die wollen ja Fullrange sein. Sind sie auch. Völlig unangestrengt und locker treten die Kleinen bei Bedarf auf den Hörer ein, nageln ihn in den Sessel und schieben gleichzeitig Basswellen über den Fußboden auf einen zu. Trotz der Lautstärke lassen sich E-Bassläufe hervorragend von anderen Tieftonanteilen unterscheiden. Gezupfter Kontrabass bei Jazz ist jederzeit in Volumen, Schwingung und Melodie klar vom Rest des Geschehens zu unterscheiden beziehungsweise steht als ganzes Instrument im Raum. Derartiges habe ich mit Lautsprechern dieser Preisklasse noch nicht erlebt. Der Versuch, die Lautsprecher zum Blinken mit ihren Not-LEDs zu überreden, führt zum Erscheinen meiner Frau, die meint, dass unsere Nachbarn bestimmt gleich die staatliche Ordnungsmacht rufen würden und damit nicht so ganz unrecht hätten.

Dabei bleibt der Bassbereich stets auf der verbindlichen Seite. Ganz harte Impulse werden etwas aufgeweicht, der allerletzte Punch fehlt. Trotzdem ist all dies eben nicht nur in Anbetracht des Preises und der Größe absolut bemerkenswert. Dass der Tiefton unter Zuhilfenahme der Wand – die einem manchmal fast leid tun kann, bei den Mengen an Bass, die sie schieben muss -  generiert wird, ist klar, aber das so kontrolliert hinzukriegen ist eine Kunst für sich. Und auch diese Erklärung lässt einen beim Anblick des kleinen Gehäuses und Tieftöners, wenn auch mit Bassreflexunterstützung, etwas ratlos zurück. Denn dies ist in Anbetracht der Größe des Lautsprechers unglaublich und physikalisch an sich auch nicht möglich. Dass hier viel mit psychoakustischen Effekten gearbeitet wird, merkt man spätestens dann, wenn man aus dem bassgefluteten Raum geht und die Tür hinter sich schließt. Der Bass ist weg, wo man doch erwartet hätte, dass die Tür heftig mitschwingt. Derartige Tieftonpegel mit meinen alten Rogers-Monitoren lassen die Scheiben samt Fensterflügel flattern. Wie der Effekt bei der Guru technisch realisiert ist, lässt sich in einem kurzen Test nicht klären. Ist aber auch egal, so lange es so gut funktioniert und gleichzeitig die Nerven der Mitbewohner und Nachbarn schont.

Nun besteht Musik ja nicht nur aus Bass. Zwar liefert dieser das Fundament, doch all das bringt für sich nichts, wenn mittlere und hohe Bereiche hinterher hinken. Das tun sie bei der Guru zum Glück nicht. Die Mitten schließen sich völlig bruchlos an den Tiefton an und sind absolut delikat. Offen, ohne analytisch, feinzeichnend, ohne sezierend und angenehm, ohne weich zu sein. Das räumliche Abbildungsvermögen ist insofern bemerkenswert, dass sich immer ein gewisses Gefühl des Dabeiseins mit gewisser Distanz einstellt. Abstände zwischen den Instrumenten bleiben fein gewahrt, der Raum dazwischen ist schwarz. Die Abmessungen der räumlichen Höhe, Tiefe und Breite - bei Bedarf auch über die Grenzen der Lautsprecher hinaus – immer nachvollziehbar und auf faszinierende Weise richtig. Details und Feininformationen sind in Hülle und Fülle  vorhanden, werden aber nicht mit dem Seziermesser aus dem Geschehen rausgeschält, sondern so nebenbei aus dem Ärmel geschüttelt. Hatte man diesen umkippenden Mikrofonständer in der Jazzaufnahme wirklich vorher schon mal gehört?

DER KONVENTIONELLE TIEFTÖNER LIEFERT AUCH KEINE ERKLÄRUNG FÜR DIE AUSSERGEWÖHNLICHE BASSPERFORMANCE DER GURU
DER KONVENTIONELLE TIEFTÖNER LIEFERT AUCH KEINE ERKLÄRUNG FÜR DIE AUSSERGEWÖHNLICHE BASSPERFORMANCE DER GURU

Ein weiteres Sahnestück der QM 10 / II ist die von vielen Herstellern immer wieder gern für sich in Anspruch genommene Zeitrichtigkeit. Ob nun kleine Jazzbesetzung oder großes Sinfonieorchester, alle Beteiligten spielen auf den Punkt miteinander, jeder Ton scheint den nächsten zu bedingen – man kann es auch Swing oder Groove nennen. Das Schöne dabei ist die völlige Homogenität und die Abwesenheit irgendeiner Betonung, die einen Bereich besonders in den Vordergrund stellt und so Geschwindigkeit „produziert“. Manchmal muss man sich ein wenig umgewöhnen: Das ausgeprägte Rhythmusgespür gepaart mit der Klarheit im Bass eröffnen manchmal neue Ein- und Ausblicke auf das musikalische Geschehen, zig-mal Gehörtes ertönt vielleicht nicht neu, aber mit geänderter Textur. Dabei gehen die Guru ausgeprägt neutral und sehr sauber zu Werke. Dadurch entdeckt man manchmal bisher nicht wahrgenommene Unsauberkeiten, die man in einigen Aufnahmen gar nicht vermutet hätte. Bevor diese Entdeckung in Frust umschlagen kann, verfolgt man dann plötzlich ganz angeregt diesen speziellen Basslauf, der sich so beiläufig und unvermutet von den begleitenden Toms etabliert und völlig verständlich an eigener räumlicher Position mit seiner Melodie vor sich hin läuft. Das macht die Kleinen zu einer fesselnden Angelegenheit, und ich habe mich dabei ertappt, die gerade zum Test verwendete CD oder LP nach dem eigentlichen Teststück einfach weiter bis zum Ende gehört zu haben. Dass die schwedischen Entwickler die Wichtigkeit von Dynamik richtig einschätzen, macht die Sache nur noch besser. Sowohl fein- als auch grobdynamisch leisten die QM 10 / II Großartiges.  All dies spielt sich auf einer Linie zwischen und hinter den Lautsprechern ab, offensiv auf den Hörer geht die Guru nicht zu.

Stimmen stehen definiert im Raum und fügen sich harmonisch, klar und sauber in den Gesamtklang mit ein. Bei gehobener Lautstärke gibt es ein manchmal ein wenig viel Druck in den oberen Mittellagen, wogegen die allerhöchsten Nuancen etwas abfallen. Aber hier hilft auf lange Sicht bestimmt ein Griff in die Trick- beziehungsweise Stoffkiste.

Der Hochtonbereich schlägt dabei niemals über die Stränge oder drängelt sich ungebührlich in den Vordergrund. Eher sanft schimmernd, als funkelnd gleißend können die Guru nicht wirklich böse oder aggressiv sein. Aber für Leute, die richtig Pegel fahren, es knallen und fetzen lassen möchten, sind die Kleinen sowieso nichts.


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