Dieses Mal habe ich mir für den Hörtest bewusst etliche „Lieblinge“ aus dem Plattenregal gezogen und mit Automatic for the People von R.E.M. begonnen (Warner Bros. Records, 1992). Klassiker wie „Man on the Moon“, „Everybody Hurts“ oder „Nightswimming“ klangen derart druckvoll und eindringlich, dass es mir fast die Tränen vor Freude in die Augen trieb. Diese Unmittelbarkeit und die große Dynamikspanne scheinen übrigens typische Merkmale von Cayin-Geräten zu sein, fühlte ich mich doch unmittelbar an den Charakter des CS-88A erinnert, den ich ebenfalls schon zu Gast bei mir hatte. Allerdings bewegt sich die Wiedergabequalität des HA-300 im direkten Vergleich insgesamt auf einem deutlich höheren Level. Insbesondere zwei Merkmale schlagen hier aus meiner Sicht besonders durch: einerseits der (technisch gekonnt umgesetzte) Einsatz der 300B und andererseits die extrem hohe Breitbandigkeit der Übertrager.
Weiter ging es mit The Queen Is Dead von The Smiths (Rough Trade Records/Sire Record, 1986). Dieser Meilenstein des Indie-Rock ist in meinen Ohren ein nie langweilig werdender Evergreen mit Songs wie „Bigmouth Strikes Again“ oder „Some Girls Are Bigger Than Others“. Der noch junge Morrissey schien auf einer großen, gut ausgeleuchteten Bühne zu stehen und den Umstand Lügen zu strafen, dass es sich natürlich um ein Studioalbum handelt. Subjektiv weite Räume und ordentlich Platz zwischen den Musikern ließen Morrisseys charakteristische Stimme auch feindynamisch hervorragend zu Geltung kommen. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie der Rechtsdreh am gerasteten Lautstärkepoti vor allem im Kopfhörerbetrieb Pegel erreichte, die wohl eher ungesund für meine Ohren waren...
Natürlich legte ich auch das unvermeidliche Album The Joshua Tree von U2 auf (Island Records, 1987). Diese atmosphärische Dichte des wie aus einem Guss produzierten Meisterwerks mit Stücken wie „Red Hill Mining Town“, „One Tree Hill“ oder „Mothers of the Disappeared“ gab der Cayin unheimlich fesselnd wieder. Ich tauchte vom ersten Ton des ersten Tracks „Where the Streets Have No Name“ an förmlich ein in diese teilweise düstere Grundstimmung des Albums und schreckte fast auf, als es plötzlich und gefühlt viel zu schnell schon wieder zu Ende war.
Auch der lebendige Rockklassiker „Like the Way I Do“ von Melissa Etheridge – ihre wohl erfolgreichste und bekannteste Single, die sie auf Live-Konzerten schon einmal gute zehn bis zwölf Minuten in die Länge zieht –, zog mich völlig in den Bann. Kraftvoll und wütend stand die Sängerin fast greifbar vor mir, wenn sie ihren Text röhrte. Die Wucht und Energie, mit der der Cayin hier agierte, ist mir bei einer Single-Ended-Triode in dieser Form bisher selten untergekommen. Über die Erfüllung des klanglichen Standard-HiFi-Pflichtenhefts und die Benennung einzelner Kriterien müssen wir uns angesichts der Qualität dieses Geräts übrigens nicht mehr weiter unterhalten...
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