tests/19-05-03_dynaudio
 

Dynaudio Evoke 30

03.05.2019 // Matthias Jung

Nun ist es an der Zeit zu gucken, ob sich der enorme konstruktive Aufwand und die Entwicklungszeit auch in der Praxis bemerkbar macht. So viel vorab, es hat sich gelohnt. Gern wird Lautsprechern das Attribut „ausgeglichen“ angehängt. Das kann heißen: tonal keine Fehler, nichts zu laut oder leise, nichts Besonderes. Auch der Dynaudio Evoke 30 kann man vor allem Ausgeglichenheit bescheinigen. Wie sie diese aber umsetzt, ist aber auf einem sehr hohen Niveau. Ich versuche es mal mit „Somewhere Down The Crazy River“ von Robbie Robbertsen. Die immerhin drei Chassis spielen wie aus einem Guß, die Abbildung ist groß. In exakter räumlicher Anordnung mit sehr viel Druck spielt das Schlagzeug im Wechsel von Bassdrum und Tom plastisch im Raum, der relativ hohe Bass und Einsatz der String-Gitarre sind wunderbar nachzuvollziehen. Davor dann das markante, tiefweiche Organ des Sängers. Ok, das können viele Lautsprecher. Aber nicht in der – Achtung! – Ausgeglichenheit, wie die Dynaudio das hinbekommt. Hoch-, Mittel- und Tieftonbereich spielen für sich genommen ganz ausgezeichnet in ihren jeweiligen Einzeldisziplinen. Diese werden aber zu einem großen Ganzen zusammengefügt, was nicht bedeutet, dass es nicht hier und dort noch mal herausragende Eigenschaften gäbe. Aber eben nichts, was einen anderen Bereich dann benachteiligt. Der neue Cerotar-Hochtöner macht seine Sache ganz hervorragend. Am besten gefällt mir, dass er nicht direkt auffällt. Er löst ganz ausgezeichnet auf, verleiht dem Hochtonbereich den richtigen Glanz und spielt farbig, aber eben nicht vordergründig. David Sylvians „When Poets Dream of Angels“ von der Secrets of the Beehive läuft mit furiosen akustischen Gitarrenläufen vor akustisch dynamisch vertracktem Hintergrund aus. Hier lässt die Evoke 30 noch Farbtupfer ganz oben erklingen, wo andere Lautsprecher schon lange nichts mehr aufzeigen. Im bereits angesprochenen „Somewhere Down The Crazy River“ wird einerseits der nicht allzu große Raum der Studioproduktion so genau aufgezeigt, dass man die Dynaudio durchaus als Monitor benutzen könnte, erlaubt dabei aber eben auch großen Genuss. Da die Abbildung groß, körperhaft und plastisch gerät, agieren sie bei aller Präzision nicht als akustisches Messer. Details und Feinheiten im Mitteltonbereich werden so nebenbei als Bestandteil des Ganzen präsentiert. Dem wohnt ein enormer Realismus inne, der durch die ausgeprägten feindynamischen Fähigkeiten noch gesteigert wird.

Räumlich geben sich die Dynaudio Evoke 30 unauffällig und der Aufnahme verpflichtet. Also keine epischen Weiten und Überbreiten, wo keine sind. Sehr selten geworden die Eigenschaft, auch mal einen Schritt auf den Höher zuzugehen, wenn das auf der Aufnahme drauf ist. Die meisten Hersteller präferieren eine Linie zwischen den Lautsprechern, von der aus es in die Tiefe geht. Aufgrund der – ich mag es gar nicht schreiben – Ausgeglichenheit der Evoke wirkt dies aber nicht aufdringlich oder offensiv, sondern nur echt.

Die mit MSP-Membranen bestückten Tiefmitteltöner unterscheiden sich im Schwingspulenmaterial von den anderen Modellen aus der Evoke-Reihe
Die mit MSP-Membranen bestückten Tiefmitteltöner unterscheiden sich im Schwingspulenmaterial von den anderen Modellen aus der Evoke-Reihe

„Red Earth“ von Rain Tree Crow ist auch so eine vertrackte Geschichte. Der schwebende Synthieteppich am Anfang läuft so ein wenig rauf und runter – habe ich das tatsächlich schon mal bemerkt? Muss am Lautsprecher liegen. Auch hier gibt es am Ende eine richtig brutal und laut gespielte Akustikgitarre, die auf einigen Lautsprechern regelrecht künstlich klingen kann. Auch bei hohen Lautstärken bleibt die Dynaudio hier ganz ausgeglichen und souverän, wo etliche Konkurrenten längst vor Anstrengung zischen oder ticken. Dazu kommt ernst konstruiertes Schlagwerk über einem teilweise sehr tiefen Bass. Der bietet ein ausgeprägtes fast mächtiges Fundament, ohne fett drückend zu sein. Ich nenne das mal viel Schub ohne Gewalt. Trotzdem können die Evoke 30 richtig hinlangen, die Balance zwischen Fülle und Präzision schlägt dabei ein ganz kleines bisschen in Richtung rund aus. Der Informationsgehalt ist trotzdem enorm. Grobdynamische Strukturen schüttelt die Dynaudio so nebenbei aus dem Ärmel. Auch dies trägt einen Gutteil zur authentischen Wiedergabe bei. Vorsichtshalber noch einmal erwähnt: Will man wirklich in den Genuss dieser Eigenschaften kommen, ist ein kräftiger Verstärker Pflicht. Feinheiten, Farbe, Ausdruck auf hohem Niveau gehen auch mit kleinen Verstärkern, die Dampframme nur mit Leistung!

Den Nageltest mache ich mit „Signature“ und „New Ground“ von Andy Stotts Techno-Avantgarde-Album Passed Me By. Ist an sich keine Musik mehr, sondern eher eine subsonische Störung. Ja, das können die Evoke gut und auch sehr laut, kommen dabei auch nicht in die mechanische Begrenzung. Hier und nur bei solchen extremen Beispielen zeigt sich eine Grenze im Tieftonbereich auf. 14-Zentimeter-Tieftöner – auch die in der Evoke 30 – können nur begrenzt wirklichen Tiefbass. Es gibt da einfach physikalische Einschränkungen, die auch Dynaudio bei seinen Passivlautsprechern nicht aushebeln kann. Ist allerdings schon fast praxisfremd, soll aber mal erwähnt werden. Partys ohne Angst ums Material kann man trotzdem mit der Evoke feiern.


  • Chord Huei

    Auf kompromisslos Weise transferiert Chord Electronics sein digitales Know-how in die analoge Welt und präsentiert uns den kompakten Phono-Vorverstärker Huei. Das massive Aluminiumgehäuse beherbergt moderne SMD-Technik auf kleinstem Raum, womit die Briten den Beweis antreten wollen, dass Vinylgenuss kein großes Gehäuse braucht. Jetzt mal ehrlich, dieses ganze Hifi-Zeugs nimmt doch ohnehin schon genug Platz im Wohnzimmer ein und ich persönlich bin dankbar für jedes Gerät, dass ein wenig sparsamer mit dem auf dem Rack verfügbaren…
    11.11.2025
  • HMS Armonia Carbon

    Sie haben vermutlich davon gehört, dass Hans Manfred Strassner, den man mit Fug und Recht als Vordenker hinsichtlich audiophiler Kabelentwicklung nicht nur in Deutschland anerkennen darf und sollte, sein Unternehmen HMS Elektronik aus Altersgründen zum 1.1.2024 an die International Audio Holding B.V., Inhaber der Marken Siltech und Crystal Cable, übergab. Dies ist inzwischen eine ganze Weile her, und nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Niederländer verbesserte Versionen des übernommenen Portfolios vorstellen. Dass seit…
    07.11.2025
  • dCS LINA X

    Es ist gerade zwei Jahre her, dass ich hier den dCS LINA Network DAC samt passender Clock vorgestellt und die Kombination als digitalen Glücksfall gerühmt habe. Nun steht der LINA DAC X im Hörraum, der natürlich auch über einen integrierten Streamer verfügt und aussieht, als habe man den Network DAC um den Headphone Amplifier erweitert. Der LINA DAC X ist aber, anders als der erste Eindruck suggerieren könnte, keine Kombination aus dem Kopfhörerverstärker und dem…
    04.11.2025
  • Acapella Harlekin 2

    Es ist zwar schon fast nicht mehr wahr, solange ist es her, aber ich war mal treuer Audio-Forum-Kunde und lange Jahre Besitzer zweier ATR Monitor, bevor die Kreationen von Alfred Rudolph unter dem Namen Acapella angeboten wurden. Nun stehen wieder Zwei-Weg-Lautsprecher aus der Duisburger Manufaktur im Wohnzimmer und machen richtig Spaß. Dass ich damals in eine gewisse ATR/Acapella-Abhängigkeit geriet, hatte mit dem ausgeklügelten Aufsteigerkonzept von Hermann Winters und Alfred Rudolph zu tun. Wie ich schon…
    21.10.2025
  • Bladelius Oden Class-A II

    Bladelius wurde 1997 in Alingsås, Schweden, gegründet und ist Teil der Bladelius Design Group. Der Gründer ist Michael Bladelius, einer der renommiertesten Designer in der Welt der Audiotechnik. Wir testen seinen neuesten Vollverstärker, den Odfen Class-A II. Dies ist seine Weltpremiere. Es ist wie ein Mantra, in jedem Artikel über Bladelius wiederholt, aber es führt kein Weg daran vorbei: Michael Bladelius ist eine der interessantesten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Audioindustrie. Wie wir in unserem Test der…
    14.10.2025
  • Ortofon MC X40

    Nach dem jüngsten Test des günstigsten MC-Tonabnehmers X10 aus Ortofons Einstiegsserie „X“ greifen wir nun ganz oben ins Regal und holen uns den X40 heraus. Dieser wartet unter anderem mit Bor-Nadelträger und einer Nadel mit Shibata-Schliff auf. Wir klären, ob und wie sich dieser technische Mehraufwand klanglich bezahlt macht. Bereits das Ortofon MC X10 hat mich durch seine ganzheitliche musikalische Abbildung und seinen lebendigen, riesigen Spaßfaktor stark beeindruckt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des für…
    07.10.2025

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.