Dabei ist der Aufschlag für größere Längen vergleichsweise moderat. Bei einem Besuch bei Transparent vor mehr als 20 Jahren erfuhr ich, dass die Kosten für die Entwicklungs- und die Arbeitszeit bei der Konfektionierung deutlich höher liegen als die für die Materialien. Deshalb habe man die Preise so gestaltet, dass alle Kunden eines Kabeltyps diese Kosten zu gleichen Teilen tragen, unabhängig davon, wie lang das benötigte Kabel ist. Alle, die beim Preis für das Magnum Opus verständlicherweise zusammengezuckt sind, kann ich beruhigen: Transparents Top-Netzkabel, das Opus Power Cord, steht bei einer Länge von zwei Metern mit 8.700 Euro in der Preisliste. Für zwei Meter unseres XL Netzkabels sind 3.500 Euro zu entrichten.
In einem kurzen Telefonat mit John Warwick, Transparents Account Executive, versuchte ich, ein wenig mehr über die XLs in Erfahrung zu bringen. Er führte aus, dass die drei wichtigsten Designkriterien eine natürliche tonale Balance, ein großer Dynamikumfang und Raum (Space) seien. Mit letzterem sei nicht vorrangig ein große Bühne gemeint. Die Kabel sollten vielmehr in der Lage sein, einem das Gefühl zu vermitteln, man befinde sich am Ort der Aufnahme, sei es ein Studio, ein Kirche oder ein Konzertsaal. Als Material werde ausschließlich Litzendraht aus extrem sauerstoffarmem Kupfer verwendet. Da man eine Limitierung des Stromflusses unbedingt vermeiden wolle, komme es durchaus vor, dass Kabel verschiedener Preis- und Qualitätsstufen den gleichen Querschnitt aufwiesen. Sie unterschieden sich jedoch deutlich in der Geometrie der Leiter zueinander, die umso wichtiger sei, weil man Schirmungen ablehne und die Kabel durch die Art der Verflechtung gegenüber Hochfrequenzeinstrahlungen immunisiere. Darüber hinaus nehme man sich in den in die Kabel integrierten Filtern hochfrequenter Einstreuungen an. Des weiteren gebe es dort auch eine Art Längenkompensation: Die Kabel sollten unabhängig von ihrer Länge immer gleich klingen. Die Stecker seien Entwicklungen von Transparent und würden nach Firmenvorgaben von einen Zulieferer hergestellt. Die Kontakte bestünden aus vergoldetem Kupfer. Über das Isolationsmaterial, die genaue Reinheit der Kupferlitzen und die Herkunft des Material sowie die verschiedenen Kabelgeometrien war aber leider nichts in Erfahrung zu bringen.
Beim Lesen meines Artikels über den Firmenbesuch im Jahre 2002 fand ich einen Absatz, in dem Jack Sumners, einer der Mitbegründer von Transparent, ein Ergebnis seiner Forschung und die daraus resultierenden Konsequenzen für seine Kabel erläuterte. Den möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Alle Lautsprecherkabel besäßen eine Resonanz bei etwa 1,2 Kilohertz. Unterhalb dieses Punktes wirkten sie hauptsächlich kapazitiv, was zu einem Verlust von Grundtonenergie führe. Frauen reagierten übrigens deutlich sensibler auf den ausgedünnten Grundtonbereich und ständen daher HiFi oft ablehnend gegenüber. Bei den Transparent-Kabeln senke man nun durch die Erhöhung der Impedanz die Resonanzfrequenz, wodurch man sich allerdings Phasenprobleme einhandle, die dann ihrerseits wieder kompensiert werden müssten. Dies und nichts anderes bewirkten die passiven Bauteile in den Kästchen. Je besser und teurer ein Transparent-Kabel sei, um so niedriger liege die Resonanzstelle. Beim Opus habe man den Wert gar auf 60 Hertz drücken können. Der ungeschmälerte Grundtonbereich lasse allerdings Details weniger stark hervortreten als „ausgezehrt“ klingende Strippen. Aber schon nach einer kurzen Gewöhnungsphase wolle fast niemand zum „dünnen“ Sound zurück.
Mal hören, wie das in meiner aktuellen Kette ist. Dazu habe ich das XL Power Cord an der einzig möglichen Stelle eingesetzt, zwischen Steckdose und dem Stromaufbereiter für die Analog-Komponenten, wobei es das Audioquest Dragon ersetzt. Soweit ich während der ununterbrochenen Einspielzeit anwesend war, habe ich gänzlich auf wohlvertraute Alben verzichtet und voller Genuss einige in Vergessenheit geratene Titel gehört. Wenn der erste Eindruck nicht täuscht, zeigt das XL keinerlei Schwächen und hat besonders in Sachen Raumabbildung so einiges zu bieten. Dennoch komme ich um direkte Vergleiche der beiden Netzstrippen und ein bisschen Hin-und-her-Stöpseln wohl nicht herum. Als erstes starte „Raijin“ von Arild Andersen, Paolo Vinaccia und Tommy Smiths Album Mira, während das XL Power Cable den Strom liefert. Die Pauken donnern in einem großen Raum und sind bestens definiert. Die Hörbarkeit einzelner Anschläge und der leichten Störgeräusche der Studio-Elektronik profitieren von der vorzüglichen Feinzeichnung. Beim Einsetzen der Flöte wird auch die Höhe des wohl virtuellen Raumes deutlich. Ich vermisse nicht das Geringste.