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Interview mit Leslie Mandoki

21.06.2024 // Dirk Sommer, Birgit Hammer (Fotos)

Während der High End veröffentlichte Leslie Mandoki die neue Vinyl-Doppel-LP seiner Soulmates: A Memory Of Our Future. Schon die Liste der Mitwirkenden – unter anderen Ian Anderson, Al Di Meola, Mike Stern, Randy Brecker, Bill Evans, Till Brönner, Tony Carey und John Helliwell – macht sie zu etwas Einmaligem. Ebenso exquisit war die Aufnahmetechnik.

DS: Hallo, Herr Mandoki. Wir haben gestern bei der Pressekonferenz erfahren, dass Sie das letzte Album komplett analog aufgenommen haben. Da würden mich natürlich Details interessieren.
LM: Das war eine spontane Entscheidung und nicht einmal konzeptionell, sondern wir waren auf Tour, unserer Jubiläumstour, und Ian Anderson sagte bei einem Gespräch: „We are all aging different“. Ich schrieb diese Lieder, weil die Verhältnisse so in Unruhe sind, wir in eine Krise geraten sind: So ein Dunkel wie im Tunnel und ohne Licht am Ende des Tunnels. Und irgendwann kam Tony Carey (Rainbow) und sagte, „Puh, I really hate you for that, you did our best songs ever. Es ist eigentlich so, dass man solche Lieder mit 25 oder 22 schreibt, aber die müssen wir aufnehmen.“ Bei diesen Gesprächen redeten wir auch darüber, dass wir von unseren Vätern aus Woodstock gelernt haben, in der Rockmusik Verantwortung wahrzunehmen. In dieser Tradition sollte man eine Platte machen. Einer der Musiker, es könnte Mike Stern gewesen sein, fragte, ob ich noch die alten Analog-Maschinen im Lager habe. Ich habe ein großes Lager im Keller und sagte: „Ja, ich habe sie anständig eingemottet.“ Die habe ich dann auf den Lastenlift bei uns im Studio geschoben und – wow! – wieder nach oben geholt und wieder alles entmottet. Aber, mein Gott, wenn die Maschinen 20 Jahre nicht gelaufen sind, dann muss man die ein oder andere Röhre tauschen und auch Lötstellen ausbessern. Aber es war eine wunderschönes Zeit. Nach zwei Tagen habe ich dann den sich eigentlich im Ruhestand befindlichen Techniker wieder dazu geholt,
dann braucht es nur noch die richtige Mikrofonierung, den richtiger Raum, die richtigen Musiker, da braucht man weder Equalizer noch Kompressor. Wir haben alles puristisch auf die Zweizoll-Maschine aufgenommen.
DS: Was war das für ein Modell?
LM: Eine Studer A 800 MK III, und dann habe ich die 24 Kanäle auf eine Halbzoll-Maschine gemischt. Bei Greg Calbi New York bei Sterling Sound in New York haben wir dann das Mastering gemacht. Das ist eigentlich die Geschichte.
DS: Welche Halbzoll-Maschine haben Sie benutzt?
LM: Eine Studer A80.

Leslie Mandoki beim Interview
Leslie Mandoki beim Interview

DS: Ein bisschen ist ja auch das Band ein Kompressor, wenn ich in die Übersteuerung fahre.
LM: Ja natürlich! Wegen der Bandsättigung brauche ich keinen Kompressor. Aber ich habe auch noch alte Fairchilds. Ich habe noch alles. Aber die waren nicht wirklich im Einsatz.
DS: Einen so puristischen Ansatz finde ich klasse. Warum gibt's dann hinterher einen Immersive Mix?
LM: Nicht weil Dolby so viel Geld hat. (Lacht)
DS: Oder auch Apple.
LM: Also. Ich habe gesagt ich mache keinen Immersiv-Mix, weil der Mensch nur zwei Ohren hat, daher Stereo reicht und so weiter. Dann kamen Abgesandte auch von Apple und Dolby und versuchten mich zu überzeugen. Aber ich habe vermeintlich überzeugend erklärt, dass ich das nicht mache, weil ich nicht wollte, dass für unser Publikum irgendwas ohne einen Mehrwert entsteht, was nur so ein akustisches Gadget ist. Ich habe aber auch gesagt, wenn es eine Idee gibt, einen musikalischen, künstlerischen oder audiophilen Mehrwert zu erschaffen, dann mache ich das. Diesen Mehrwert habe aber ich nicht gesehen. Ich habe viele elektronische Alben produziert: Eine Sequenz einfach kreisen zu lassen, von oben nach unten, von rechts nach links macht für mich keinen Sinn. Wenn John Helliwel mit seinem Saxophon dort steht und der Hamond Spieler da und das Schlagzeug dahinter, ist das ein klares Stereo-Signal. Dann hatte ich aber die Idee: Wie ist das, wenn ich unser Publikum einlade, um mich herum zu sein. Und so kam es. Da gibt es einen Mehrwert. Das ist okay.
DS: Sind Sie bei der Aufnahme locker mit 24 Spuren ausgekommen?
LM: Das war nicht locker, aber dies Limitierung ist eine wunderbare Bereicherung, Weil man nur ein Gitarrensolo hat und nicht 20. Das mischt sich dann einfach, denn dann gibt es keine Nachbearbeitung mehr.
DS: Sind Sie völlig ohne Nachbearbeitung ausgekommen?
LM: Da gibt es ja keine Möglichkeit.
DS: Aber man könnte doch eine Spur noch einmal aufnehmen.
LS: Nicht unbedingt, wenn die Kapelle einmal zusammen gekommen ist und danach wieder über die ganze Welt verstreut lebt.
DS: Sind die Stücke alle First Takes oder durchgängige Aufnahmen?
LM: Nein. Die Magie entsteht durch lange Sitzungen, sogenannte „Reading Rehersals“. Wir entwickeln die Dinge. Durch dieses „Reading Rehersal“ entsteht das im Kopf und im Herzen, das Ganze. Und wenn wir dann spielen, dann gelingt es sehr häufig beim ersten Mal. Aber das setzt voraus, dass wir uns bei einem so komplizierten Song wie zum Beispiel „Enigma Of Reason“ anderthalb Tage darauf eingestimmt haben, an den Instrumenten sitzend, aber nicht wirklich spielend.
DS: Was für Mikrofone haben Sie verwendet?
LM: Die Klassiker, Neumann U87 natürlich, 414 von AKG. Große Klassiker eben. Ich habe auch sehr viele Röhrenmikros. Wie gesagt, alles irgendwo Klassiker, die eigentlich jeder verwendet.
DS: Wieviel Musiker waren jetzt insgesamt an der Platte beteiligt?
LM: In der Pressemappe zur Platte werden Sie sehen, dass es genau 24 sind.

Leslie Mandoki spricht auf der Pressekonferenz über sein neues Album
Leslie Mandoki spricht auf der Pressekonferenz über sein neues Album

DS: Als ich einen Kollegen, der gerade mal 30 Jahre alt ist, vor diesem Interview fragte, ob er Sie kennt, erzählte er, dass er Sie in einem Video während der Corona-Zeit gesehen hat, das er als sehr aufmunternd und musikalisch spannend in Erinnerung hat. Wie wichtig war Ihnen die Aktion? Sehen die das eher als politisches oder allgemein menschliches Engagement?
LM: Also bei Covid war die Welt von einem Wahnsinn heimgesucht, und ich stand dafür, dass jeder eine individuelle Entscheidung treffen kann, wie er mit dem eigenen Körper umgehen will. Ich hatte Covid kurz vor der Impfung. Meine Frau ist Ärztin und meinte ich werde sterben. Ich hatte da extremst hohe Belastungen und hätte nach allen medizinischen Erkenntnissen sterben müssen, aber ich hatte nicht einmal Kopfschmerzen. Ich wurde ziemlich am Anfang erwischt, durch eine Undiszipliniertheit eines Mitarbeiters, der die Kinder trotz klarer Absprachen zum Kindergarten gebracht hatte. Ich habe dann entsprechend lange damit gehadert, ob ich mich impfen lasse oder nicht. Die erste Impfung hatte ich ja sozusagen schon mal weg. Ich habe mich dann aus sozialen Überlegungen impfen lassen. Ich war aber gegen den absoluten Wahnsinn, der hier ausgebrochen war: Dass ein Mensch nicht mehr alleine auf einer Bank im Park sitzen darf. Moment mal!
DS: Sie leben ja auch in Bayern...
ML: Ich habe am Anfang ja auch diese Covid-Infektion gehabt, aber keine Erkrankung. Ich wurde von der Polizei überwacht. Die kamen alle paar Stunden vorbei, damit ich in meinem Haus bleibe. Das fand ich schon ein bisschen übertrieben. Klar, wir sollten schon eine höhere Verantwortung für uns selbst und auch für andere haben. Aber darum ging es mir nicht. Bei dem Online-Konzert während Covid ging es um etwas anderes: Erstens fand ich es sehr charmant, dass wir das auf so breiter Basis gemacht haben. Damals konnte man das noch machen, weil damals noch kein Mensch geahnt hat, dass wir hier, mitten in Europa, Krieg kriegen werden. Damals waren russische, chinesische und japanische Künstler involviert. Obwohl, möchte mich jetzt korrigieren, ich würde heute auch die russisch Opposition einbeziehen. Es ist der größte Quatsch, russischen Künstlern zu unterstellen, dass sie den Krieg unterstützen.
DS: Hundertprozentig!
LM: Also ich bin ja auch in einer Diktatur aufgewachsen und ich war Gegner dieser Diktatur und man hätte mir unfassbar Unrecht getan, wenn man gesagt hätte, er darf nicht auftreten. Die haben mich eh nicht gelassen, ich hätte keinen Pass bekommen, weil ich eben ein Gegner der Diktatur war. Insofern muss man ein bisserle differenzierter umgehen mit Oppositionellen von Diktaturen, sage ich aus eigener Erfahrung. Aber zurück zur Musik: Wenn man das jetzige Album betrachtet, dann ist es völlig analog, basierend auf der britischen Prog-Rock Ideologie und auch auf amerikanischem Fusion-Jazz. Die harmonische Komplexität, die gesamte Produktionskomplexität der poetischen, gesellschaftspolitisch relevanten Texte, das ist eher der Teil von Prog-Rock, aber dieser virtuose solistische Wahnsinn ist eher der amerikanische. Diese beiden Richtungen zu vermengen, darum ging's schon vor Jahrzehnten, darum geht es immer noch. Wenn man in diesen ungemütlichen, schwermütigen Zeiten versucht, sie zu reflektieren in Songs wie „Liquid“, „Enigma Of Reason“, „A Memory Of My Future“, „We Stay Loud“, dann ist es doch ist ganz glasklar, dass dabei eine analoge Aufnahme herauskommt. Wir setzen ein Zeichen. Bei dem Online-Konzert während Covid, war exakt das Gegenteil der Fall. Das war total digital und es war die Idee, diese Übertragungszeit-Problematik, wenn man auf der ganzen Welt zusammen musiziert, zu überwinden und online mit so einer Art von Musik die Menschen zu erreichen. Das ist uns gelungen. Wir haben beinahe eine Million Besucher gehabt. Und das war schon eine schöne Sache, dass sie nicht nur in New York, Los Angeles, London und Tutzing am Starnberger See sondern, in dem Fall auch in Tokio und Peking und Moskau mit von der Partie waren und sogar auch in Neu-Dehli. Das ist eine komplette, weltumspannende Geschichte. Wir sagen: „Music Is The Greatest Unifier!“, insbesondere jetzt, wo wieder Kriegszeiten sind, wo der populärste deutsche Politiker, unser Verteidigungsminister, sagt, wir müssen kriegsfähig werden. Ich sage, wir müssen eher friedensfähig werden, wir müssen etwas für die Bildung tun. (Leslie Mandokis Sohn bringt eine Pressemappe.)

Leslie Mandoki mit seinem Sohn während der Pressekonferenz
Leslie Mandoki mit seinem Sohn während der Pressekonferenz

DS: (nach dem Blick auf die gerade erhaltene Mappe) Beeindruckend, wer auf Ihrem neuen Album mitgespielt hat. Das ist ein sehr spannende Querschnitt von Musikrichtungen.
LM: Sag ich ja. Es ist die Mischung von Prog-Rock und Fusion. Also die Mischung.
DS: Ich finde es wirklich interessant, dass man heute noch Musiker trifft, die ein politisches Anliegen haben und die politische Aussagen machen in ihren Songs. Das ist, bei vielem von dem, was ich heute so höre, nicht mehr so üblich.
LM: Ich würde jetzt nicht meine Musiker-Kollegen danach bewerten wollen, ob sie das tun oder nicht. Aber bei mir ist es eine Verpflichtung: Denn, wenn man dieses Privileg hat, sich selbst jahrzehntelang auf der Basis der Zuneigung des Publikums entfalten zu dürfen, dann ist es natürlich eine ganz wichtige Sache, Stellung zu nehmen. Auch wegen dieser Liebe des Publikum, wegen seines Vertrauens und seiner Zuneigung.
DS: Vielen Dank für dieses offene Gespräch.
LM: Gerne.

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