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Amphion Argon 7LS

07.09.2021 // Finn Corvin Gallowsky

Die Verarbeitung ist makellos und die raue Oberfläche lässt die Lautsprecher überraschend edel wirken – nicht ganz so überzeichnet wie hochglanzlackierte Oberflächen und irgendwie zeitlos nordisch. In der Planungsphase des Tests teilte mir Anssi mit, dass die Chassis-Abdeckungen in allen RAL-Farben geliefert werden können – reizvoll. Für das Testobjekt darf es dann schon eine mutige Farbwahl sein: das gesamte Lautsprechergehäuse in Schwarz, mit Abdeckungen in RAL 2009: verkehrsorange. Die Farbe habe ich mittels eines RAL-Fächers ausgewählt und das Ergebnis ist perfekt. Das Orange ist genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte – satt und nicht zu aggressiv. Treffer! Sollte man bei der Farbwahl doch danebengegriffen haben, kostet ein neuer Satz Abdeckungen 25 Euro pro Lautsprecher. Einen Service wie diesen bietet kaum ein Hersteller an und er ist eine großartige Möglichkeit, seinen Lautsprecher zu individualisieren oder farblich an den Wohnraum anzupassen. Apropos Wohnraum, dank seiner schmalen Front und für einen Standlautsprecher auch wenig tiefem Gehäuse, macht der Argon 7LS allgemein eine sehr schlanke Figur.

Schlank, schlicht und schön, die Standlautsprecher setzen trotz der forschen Farbwahl einen angenehmen und nicht übertriebenen optischen Akzent in meinem Hörraum, die matte Oberfläche weiß zu gefallen
Schlank, schlicht und schön, die Standlautsprecher setzen trotz der forschen Farbwahl einen angenehmen und nicht übertriebenen optischen Akzent in meinem Hörraum, die matte Oberfläche weiß zu gefallen

Das Gesamtkonzept eines Standlautsprechers dieses Formats mit zwei parallel arbeitenden Tiefmitteltönern und Passivmembranen ist nicht alltäglich und ich freue mich sehr auf den Hörtest, den ich mit einem Klassiker beginne. Nils Lofgrens „You“ vom gerippten Album Acoustic Live bleibt für mich im Gegensatz zu „Keith Don’t Go“ immer und immer wieder genussvoll hörbar. Dieser Song dürfte keinem Leser unbekannt sein, deshalb gleich zur Sache. Der Argon 7LS präsentiert Nils und seine Gitarre in gänzlich unaufgeregter Manier. Seine Stimme verfügt über eine fast unheimliche Ruhe und segelt galant und unbeschwert durch das ambivalente Liebesabenteuer. Unbeschwert: Dies trifft die Stimmwiedergabe im Kern. Die unteren Mitten werden passiert, ohne viel Ballast mitzunehmen und der eigentliche Stimmcharakter blüht erst im präsenteren oberen Mittenbereich auf. Der Saitenstahl sirrt und singt mit Nils um die Wette und, obwohl der Hochton sanft ausläuft, fehlt es der Wiedergabe keinesfalls an Glanz. Die niedrige Übernahmefrequenz scheint sich auszuzahlen, eine derartige Selbstverständlichkeit, Linearität und Bruchlosigkeit in der Wiedergabe ab 100 Hertz bis ans Ende des Frequenzspektrums ist außergewöhnlich für einen Passivlautsprecher. Nicht nur in der Preisklasse der Argons. Im Direktvergleich suche ich diese Selbstverständlichkeit bei meinen günstigeren Magnat Standlautsprechern vergeblich, sie klingen schlichtweg falsch. In Sachen Räumlichkeit und Abbildungsschärfe verhält es sich deutlich besser, allerdings sind die Finnen den Pulheimern dennoch voraus. Die Argon 7LS zeichnen etwas großzügiger und flächiger, einzelne Klangquellen verfügen über eine größere Ausdehnung im Stereopanorama, dies machen die Magnats weder besser noch schlechter, lediglich anders. Deutlich absetzen können die Finnen sich jedoch durch die Homogenität der räumlichen Wiedergabe. Während bei den Magnats Klanggeschehnisse zwar deutlich zu unterscheiden und auszumachen sind, mal etwas weiter hinten im imaginären Raum, mal vordergründig, halbrechts oder außen links, wirken sie ein wenig alleingelassen oder zufällig im Raum verstreut, ohne Zusammenhang. Die Argon 7LS hingegen spannen den imaginären Raum wie eine große Kuppel vor dem Hörer auf, in der alle Klangereignisse fest verankert sind. Alles scheint gleichzeitig wie in einer einzigen Wellenfront ausgesendet an die Ohren zu gelangen. Dies ist wohl auch aus technischer Sicht genau was passiert. Da ab 1600 Hertz nur noch ein einziger Treiber werkelt, sind Phasen- und Zeitfehler in der Wiedergabe nahezu gänzlich eliminiert. Auch das Waveguide-Minihorn dürfte an diesem Effekt nicht gänzlich unbeteiligt sein. So sind Nils Lofgrens Stimme und seine Gitarre klar voneinander getrennt wahrzunehmen und doch untrennbar miteinander verwoben. Alle klanglichen Geschehnisse stehen immer in einem Bezug zueinander und auch wenn Instrumente auf der imaginären Bühne etwas flächiger gezeichnet werden, verlieren sie dennoch nie ihren Fokus.

Die zwei Passivmembranen auf der Rückseite befinden sich genau gegenüberliegend der Tiefmitteltöner auf der Vorderseite
Die zwei Passivmembranen auf der Rückseite befinden sich genau gegenüberliegend der Tiefmitteltöner auf der Vorderseite

Mit Kavinskys „Nightcall“ vom gerippten Album Outrun möchte ich die Bassfähigkeiten der Argons auf die Probe stellen und herausfinden, ob die Mittenwiedergabe sich durch starke Auslenkung der Tiefmitteltöner beunruhigen lässt. Sie lässt sich nicht, soviel sei schon mal vorausgeschickt. Das Tiefbassfundament von „Nightcall“ wird sauber und druckvoll in den Raum geschickt, nicht zu fett, nicht zu trocken, das Timing passt auch. Leider vertragen sich Argon 7LS und mein doch recht kleiner Hörraum in dieser Disziplin dennoch nicht uneingeschränkt. Mein Raum bietet mir genau zwei mögliche Aufstellungen: Entweder mit einem riesigen Loch im Bassbereich oder einigen Überhöhungen. Da meine Magnats in absoluten Maßstäben eher einen unterbelichteten Bass liefern, performen sie in zuletzt genannter Aufstellung sehr gut. Die Amphions jedoch können im Bassbereich einfach mehr und fühlen sich in dieser Konstellation nicht gänzlich wohl. Deshalb nehme ich einen Ortswechsel vor. Die Lautsprecher begleiten mich zu einem Besuchswochenende bei meinem Vater. Die Testumgebung hier ist äußerst reizvoll. Sein Wohnzimmer hat fast 40 Quadratmeter, verfügt über keine akustische Optimierung und ist normal möbliert. Damit entspricht es wohl eher der Norm eines ganz normalen Wohnzimmers als mein mit Absorbern und Diffusoren behandeltes HiFi-Zimmer, in dem ich zudem eher mit einer studioähnlichen Abhörposition arbeite. Leider muss der Rest meiner Kette zu Hause bleiben und mir steht für den Test der Mittelklasse-Vollverstärker meines Vaters zur Verfügung, der mich durch meine Kindheit begleitet hat, bis ich ihn in meiner Jugendzeit dann selbst gequält habe. Der altehrwürdige Pioneer A-656 war zwar zu seiner Zeit schon weitab des High-Ends einzuordnen, ist jedoch auch aus heutiger Sicht grundsolide aufgebaut. Was ihm an Feingeist fehlt, macht er an Laststabilität wieder wett. Ich speise ihn mit Daten von meinem mobilen High-Res-Player HiBy R6. Die Positionierung der Argons fällt im großen Wohnzimmer deutlich unkomplizierter aus, bereits von der ersten willkürlich gewählten Position in gerader Ausrichtung auf den Hörplatz fluten sie den Raum mit ihrer besonders kohärenten räumlichen Wiedergabe. Dabei ist auch die Hörposition nicht sonderlich relevant, man muss nicht zwangsläufig in der Mitte sitzen, um tief in die räumliche Komponente der Lautsprecher eintauchen zu können. Wie üblich verbiegt der Raum den Frequenzgang besonders stark im tiefen Frequenzbereich etwa bis 300 Hertz, deshalb ist ein Austarieren der optimalen Lautsprecherposition und des Sitzabstandes trotzdem von Nöten, um auch in diesem Frequenzbereich ein Optimum zu erreichen. Über 300 Hertz tut sich beim Testen verschiedener Positionen angenehm wenig und die Lautsprecher erhalten sich genau die Charakteristik, die sie in diesem Bereich auch schon in meinem kleinen Raum gezeigt haben. Eine ideale Aufstellung findet sich in einem Abstand der Lautsprecher von 2,6 Metern zueinander, gut einen Meter Abstand zur Rückwand und etwa 90 Zentimeter zu den Seitenwänden. Für einen minimal deutlicheren Fokus einzelner Klangquellen im Stereopanorama drehe ich die Argons ganz leicht ein. Jetzt passt alles zusammen. Obwohl das Bassfundament durchaus kräftig und druckvoll bleibt, fügt es sich perfekt in den eher hellen Gesamtklang der Argons ein.


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