Zu Beginn meines Hörtests bin ich überrascht, wieviel Substanz die X2.6 in den unteren Oktaven liefern kann. Mit „Limit To Your Love“ von James Blake gibt es Tiefton-Attacke pur mit Ausflügen in den Sub-Bass Bereich. Die X2.6 haben keine Mühe, die Töne beim Zuhörer körperlich spürbar zu machen. Man fragt sich unweigerlich, wo die zierliche X2.6 diese Power hernimmt. Nachdem sich meine erste Überraschung gelegt hat und einigen Stunden Hören, ist mir die Tieftonsubstanz doch etwas zu viel des Guten. Und an dieser Stelle kommen die acht Bassreflex-Ports ins Spiel, die sich mit Schaumstoffstopfen verschließen lassen. Dabei ist zu beachten, dass jeder Raum anders ist und die persönlichen Hörgeschmäcker unterschiedlich sind. Gerade deshalb ist das feinfühlige Bass-Tuning über die Ports eine so schöne Idee von Raidho. Schnell stellt sich heraus: alle Ports offen liefern mir – wie gerade ausgeführt – zu viel Bass und alle Ports geschlossen wiederum zu wenig Bass. Meine Lösung mit fünf verschlossenen Ports liegt etwa in der Mitte. So gefällt mir die tonale Balance der X2.6 sowohl im Bassbereich selbst als auch im Verhältnis zum Mittel-Hochtonbereich am besten. Die Titel auf dem bekannten Album Rumors von Fleetwood Mac kommen jetzt mit einem knackigen und fülligen Bass daher. Im Stück „The Chain“ aus diesem Album haben die X2.6 keine Mühe, die großartige Basslinie eindrucksvoll wiederzugeben. In „Act Like You Know” mit der Fat Larry's Band gleiten die gezupften Bassnoten am unteren Ende des Frequenzspektrums auf und ab, klingen druckvoll, natürlich und detailreich. Die Vocals und Keyboards bilden am anderen Ende des Spektrums eine schöne Gegenüberstellung.

Dabei fällt auf, dass die X2.6 keine Frequenzbereiche bevorzugt. Insbesondere hat Raidho der Versuchung widerstanden, ihren famosen Bändchen-Hochtöner übertrieben in Szene zu setzen. Der Hochtonbereich ist perfekt in die Gesamtabstimmung eingebettet. Das ist gut in den Streichersonaten von G.A. Rossini für zwei Violinen, Cello und Kontrabass (Salvatore Accardo - Rossini: 5 Sonate a Quattro - LIM UHD) zu hören. Die Violinen klingen bis in die höchsten Tonlagen samtig und geschmeidig ohne den kleinsten Hauch von Härte. Wie perfekt die einzelnen Tonbereiche bei der X2.6 zusammenstimmen, können wir sehr gut bei Ernst Schladers wunderbarer Interpretation von Mozarts Klarinettenkonzert hören, gespielt auf einer hervorragend intonierten Kopie einer historisch korrekten Bassettklarinette (Mozart: Sinfonien 29 & 33, Klarinettenkonzert - 24/96 Qobuz). Schladers Virtuosität wird durch die farbenprächtigen historischen Instrumente der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Konzertmeister Bernhard Forck kongenial ergänzt. Mit den X2.6 klingt der Mitteltonbereich wunderschön präsent und die Höhen sind lebendig und rund. Besonders gefällt mir der natürliche und ungekünstelte Klang jedes einzelnen Instruments. Da überrascht es auch nicht weiter, dass von der großartigen Tonalität auch die Wiedergabe von Stimmen profitiert. Es ist schon eine Weile her, seit ich die Stimme von Melody Gardot zum letzten Mal gehört habe. Bei Live in Europe handelt es sich in vielen Bereichen um ein sehr minimalistisches Album im „Unplugged“-Stil, nur mit Melodys fantastischer Stimme und sehr wenig Instrumentierung ganz im Gegensatz zu den Studioaufnahmen, bei denen sich ihre Songs oft als wahre Wunderwerke der Präzision erweisen. Ein schönes Beispiel ist der Eröffnungstitel „Our Love Is Easy“, bei dem Melody Gardot eine ganze Weile lang nur von einem Kontrabass begleitet wird. Die X2.6 gibt die verschiedenen Facetten der großartigen Stimme beeindruckend wieder.

Die von Raidho gewählte tonale Abstimmung verleiht der X2.6 eine ausgesprochen noble Note. Nach meiner Erinnerung hat die X1t im Vergleich einen etwas anderen tonalen Abdruck: Sie klingt nicht ganz so rund, hat dafür aber ein wenig mehr Auflösung. Auf meine Nachfrage hin bestätigt Morton Nielsen meine Beobachtung und führt aus, dass die Modelle ohne Tantal-Beschichtung der Tief-Mitteltöner einen Ticken wärmer klingen würden. Wenn es um die räumliche Abbildung und dreidimensionale Ausbreitung des Klanggeschehens im Hörraum geht, ist die X2.6 in ihrem Element. Das ist mir schon aufgefallen, als ich auf der oben erwähnten Sheffield XLO Test & Burn in CD den Track „Walkaround“ angespielt habe, in dem sich der Sprecher in einem riesigen rechteckigen Raum bewegt. Das kann mitunter zum Frusterlebnis werden, denn die meisten Lautsprecher vermitteln den Raum dieser Aufnahme eher in einem sich von den Lautsprechern nach hinten mehr oder wenig tief ausdehnendem Halbkreis. Mit der X2.6 habe ich dagegen sofort den Eindruck, dass wirklich ein rechteckiger Raum abgebildet wird, wenn sich der Sprecher tief hinten in einer der Raumecken befindet.