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Supersense: Die analoge Welt des Florian Kaps

01.11.2019 // Dirk Sommer, Birgit Hammer (Fotos)

Wohlfühlatmosphäre zwischen analogen Kostbarkeiten
Wohlfühlatmosphäre zwischen analogen Kostbarkeiten

Keinen digitalen Spaß verstehen Florian Kaps und sein Team aber, wenn Musiker auf der kleinen Bühne an der Stirnseite des Raumes aufnehmen: Die Signale der Mikrofone werden in einem großen Mischpult in Voll-Röhrentechnik auf zwei Kanäle gemischt und auf einer Zweispur-Studer aufgezeichnet. Das Pult hatte die Decca einst in den Wiener Sofiensälen im Einsatz. Es wurde von WSW – den Wiener Schwachstrom Werken der Siemens Austria – gebaut und inzwischen völlig überholt und mit neuen Netzteilen ausgestattet. Weitere Ausstattungsmerkmale sind integrierte Zigarettenanzünder und Aschenbecher. Bisher kommt mir die Vorgehensweise – recording live to two track, nicht das Rauchen während des Mischens – sehr vertraut vor. Und beim Anblick der Plattenschneidemaschine mit einem Schneidekopf von Flo Kaufmann glaubt man, es ginge auch ganz klassich weiter.

Rechts der Recordelevator, an der Stirnseite die Bühne
Rechts der Recordelevator, an der Stirnseite die Bühne

Aber dem ist nicht so: Hier werden keine Lackfolien geschnitten, um dann im Presswerk versilbert zu werden, so dass davon eine Vielzahl von Matrizen und später LPs hergestellt werden kann. Wie ich bei den eigenen Produktionen leidvoll erfahren musste, geht beim unvermeidlichen mechanischen Vervielfältigungsprozess – versilberte Lackfolie, Vater, Mutter, Pressstempel – immer auch ein wenig Klangqualität verloren. Im Vergleich mit der Lackfolie, die nach dem Anhören aber nicht mehr zur weiteren Produktion verwendet werden kann, gibt es leichte Einbußen in Sachen Dynamik und Fremdspannungsabstand. Außerdem ist die Massenproduktion von LPs alles andere als sinnlich.

Den Anweisungen folgen, singen und fertig ist die eigene Single
Den Anweisungen folgen, singen und fertig ist die eigene Single

Und deswegen bietet Florian Kaps die in seinen Räumen gemachten Aufnahmen auf Dubplates an. Die werden Stück für Stück für auf der Scheidemaschine hergestellt. Die Dubplates sind sich nicht ganz so weich wie die üblichen Lackfolien und verschleißen daher beim Abspielen nicht so schnell wie die Scheiben mit dem Lack. Pro Aufnahme werden bei Supersense lediglich 77 Stück hergestellt. Die Scheiben werden in liebevoll in Linoldruck und Bleisatz gestalteten Covern geliefert. Die Bilder sind natürlich Polaroids. Da gleicht kein Exemplar dem anderen 100-prozentig. Ich denke, man darf diese optischen und akustischen Kunstwerke getrost als Unikate bezeichnen. Erfreulicherweise wird der immense Aufwand von vielen Künstlern unterstützt: So finden sich im Angebot von Supersense unter anderen Aufnahmen von Hans Theessink und Gregory Porter. Und da Florian Kaps derart sinnliche Erfahrungen nicht nur Oligarchen und Geldadel vorbehalten sehen will, sind die Kleinode in Anbetracht des erheblichen Aufwandes bei ihrer Entstehung mit einem Preis von 277 Euro überaus kundenfreundlich kalkuliert.


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