Wie sich diese Veränderungen auf die Klangqualität auswirken, lesen sie weiter unten.
Für diesen Test stehen mir fünf Schallplatten von Michel Godards Soyeusement – Live in Noirlac zur Verfügung. Diese Produktion von sommelier du son wurde im sehr halligen Refektorium des Klosters Noirlac in der Mitte Frankreichs auf einem Zwei-Spur-Band aufgenommen. Als Musiker waren Steve Swallow, Michel Godard und der sardische Saxophonist und Kehlkopfsänger Gavino Murgia dabei. Die drei Jazzer luden noch Bruno Helstroffer am Theorbo – einer Art Laute – und Fanny Paccoud an der Violine zur Session ein. Während des gesamten Mitschnitts und der weiteren Bearbeitung wurde kein künstlicher Nachhall verwendet. Was man auf der Schallplatte hört, ist nichts anderes als die Akustik des Aufnahmeraumes. Die fünf Schallplatten stammen aus ein und demselben Karton aus dem sommelier-du-son-Lager, sie sollten also in direkter Reihenfolge gepresst worden sein und daher keine Klangunterschiede etwa durch die Abnutzung des Presswerkzeug aufweisen. Während eine Platte im Originalzustand blieb, wurden die übrigen vier unterschiedlich behandelt. Eine wurde getempert, eine andere wurde kryo-behandelt. Was kann man noch tun? Richtig: Beide Methoden miteinander kombinieren. So wurde eine Platte zuerst getempert und anschließend kryo-behandelt, die letzte wurde zuerst kryo-behandelt und dann getempert. Eine gleichermaßen behandelte Serie von Schallplatten wurde bereits einem breiteren Publikum auf der Audio Video Show Warschau 2025 in persona von Birgit Hammer-Sommer und Dirk Sommer vorgestellt. Für alle, die keine Gelegenheit hatten, an diesem Event teilzunehmen, könnte dieser Bericht den einen oder anderen Leser möglicherweise dazu inspirieren, einige seiner Lieblingsscheiben ebenfalls eine der Spezialbehandlungen angedeihen zu lassen. Da die Höreindrücke der einzelnen behandelten Schallplatten durchaus kontrovers beurteilt und diskutiert werden, werde ich versuchen die hier geschilderten Testergebnisse möglichst neutral zu halten. Ein kleiner Spoiler vorweg: Jede der Behandlungen führte zu einer mehr oder weniger deutlichen Verbesserung der Klangqualität. Trotz allem barg der Hörtest neben erwartbaren Ergebnissen auch einige Überraschungen.

Beim Hörtest hatte ich Unterstützung von einer mir bekannten Testhörerin, so dass der Test in einer Doppelblindstudie durchgeführt werden konnte. Die Testhörerin wusste beim entscheidenden Hörtest nicht, welche der fünf Platten sich auf dem Plattenteller drehte und die Reihenfolge der aufgelegten Platten war randomisiert. Die Hörerlebnisse der Testhörerin stimmten übrigens zu 99 Prozent mit den meinen überein. Zur endgültigen Beurteilung waren mehrere Hörsessions erforderlich, bei der letzten wurden die unterschiedlich behandelten Platten dann gezielt miteinander verglichen. Hier konnten noch Details zum Beispiel zwischen den „nur“ getemperten und den zuerst getemperten und dann kryo-behandelten Aufnahmen herausgestellt werden. Gehört wurden die Platten auf dem Konstant Laufwerk mit beheiztem Tellerlager, bestückt mit dem Linn Ittok LV II Tonarm und dem Tonabnehmer Benz Micro Glider. Der Tonabnehmer war penibel justiert, die Nadel sorgfältig gereinigt. Die Schallplatten habe ich mit einer Kohlefaserbürste gereinigt, ein Waschgang war nicht erforderlich.
Fangen wir mit der getemperten Schallplatte an: Im Vergleich zum wirklich hervorragend aufgenommenen Original ist die Wiedergabe etwas klarer, Instrumente klingen akzentuierter und trotzdem ist das Klangbild insgesamt wärmer, tiefer und hat mehr Wucht. Der natürliche Raum, in dem die Aufnahme im Kloster Noirlac stattfand, wurde größer und erfahrbarer. Die Aufnahme klingt rhythmischer, es macht soviel Spaß, dass es verleitet, die Platte in einem Stück zu hören. Kommen wir zur kryo-behandelten Platte: Auch hier ist der Klang klarer und die Instrumente akzentuierter und voluminöser. Diese Effekte sind sogar stärker ausgeprägt als bei der wärmebehandelten Platte. Hierdurch sind die Instrumente im Raum besser ortbar, die Räumlichkeit nimmt sowohl in der Tiefe als auch in der Breite zu. Das Klangbild präsentiert sich detaillierter und analytischer als bei der getemperten Platte. Aber auch eher kühl und weniger rhythmisch. Nun kommt ja die spannende Frage auf, ob und wie sich bei den doppelt behandelten Platten die erzielten Klangbilder ergänzen oder vielleicht sogar negieren. Zuerst die kryo-behandelte und dann getemperte Platte: Sie klingt der nur getemperten Platte ähnlicher als der nur kryo-behandelten, hat aber einige Klang bildende Eigenschaften dieser übernommen. So klingt die Aufnahme insgesamt klarer, akzentuierter, detaillierter, voluminöser und räumlicher als die Originalaufnahme. Aber nicht ganz so ausgeprägt wie bei der ausschließlich gekühlten Platte. Dafür kommt hier eine Wärme und Tiefe hinzu, die man bei der nur gekühlten Platte vermissen könnte. Das Klangbild ist harmonischer, runder, rhythmischer und musikalischer. Zuletzt die Eindrücke von der zuerst getemperten und dann kryo-behandelten Platte: Hier herrschen die klanglichen Veränderungen aus der Kryo-Behandlung vor. Die Eigenschaften aus der Wärmebehandlung sind zwar hörbar, aber treten etwas in den Hintergrund. Also haben wir hier eine etwas analytischer klingende Version von der zuletzt beschriebenen Variante, allerdings mit ein wenig mehr Wärme und Tiefe im Klangbild als bei der ausschließlich gekühlten Platte. Ebenso ist die Räumlichkeit besser hörbar als bei der vorherigen Variante. Wenn also beide Methoden miteinander kombiniert werden, sind die Eigenschaften der zuletzt verwendeten Methode dominierend, allerdings sind immer noch die Klangveränderungen der zuerst verwendeten hörbar, wenn auch weniger ausgeprägt als bei den einzeln angewendeten Verfahren.
