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Wohltemperiertes Vinyl – Teil 2

12.12.2025 // Achim Schneider

Als der DHL-Bote mir den Karton mit den vier behandelten Schallplatten übergibt, ein „normales“ Original der LP befindet sich bereits in meinem Besitz, kann ich es kaum abwarten, die erste Testplatte auf den Teller meines Brinkmann LaGrange Laufwerks zu packen. Doch vor dem Vergnügen kommt die Arbeit: Zuerst wird die Einstellung des TW-Acustic Tonarms inklusive Justage des Kondo IO-M gecheckt. Passt alles. Die Temperaturbehandlung der Testplatten hat an verschiedenen Orten stattgefunden. Das Tempern hat Dirk Sommer mit dem Plattenbügler AFI Duo.Flat in Gröbenzell übernommen. Seine Erfahrungen dazu finden Sie im Testbericht auf hifistatement.net. Einige getemperte Exemplare sowie einige unbehandelte wurden bei der Firma Cooltech von Wolfgang Lausecker in Österreich mit dem Kryo-Verfahren bei -180 Grad behandelt. So sind die vier LPs konditioniert: einmal getempert, einmal kryogenisiert, einmal getempert plus Kryo-Behandlung, einmal Kryo-Behandlung plus Tempern. Um alle Schallplatten unter gleichen Bedingungen zu hören, habe ich sie noch einer Reinigung mit der Levar Amano Plattenwaschmaschine unterzogen.

Michel Godard mit seinem Serpent und Gavino Murgia mit seinem Saxophon
Michel Godard mit seinem Serpent und Gavino Murgia mit seinem Saxophon

Zum Eingrooven gönne ich mir die unbehandelte Ausgabe – und zwar beide Plattenseiten in tutto. So kann ich in die Musik eintauchen und die nicht alltäglichen, aber wunderbaren Klänge von Theorbe und Serpent auf mich wirken lassen. Ehrlich gesagt: Die Aufnahme ist absolut gelungen, leuchtet die Tiefe des großen Raumes hervorragend aus und schon diese „normale“ Version sorgt für Wohlfühl-Atmosphäre im heimischen Hörraum. Bereits während des Hörens kommt mir der Gedanke: Was soll da noch viel mehr kommen? Die Antworten geben mir die unterschiedlich behandelten Exemplare während meiner diversen Hörsessions.

Für die Hörtests habe ich die Stücke „A Trace of Grace“ und „Beautiful Love“ ausgewählt und starte mit der getemperten Version. Ich bin einigermaßen überrascht: Alles klingt ein bisschen aufgeräumter, das Zupfen der Saiten auf der Theorbe ist noch unmittelbarer und der Serpent raunt wohlig im tiefen Register. Der Bass von Steve Swallow wirkt klarer und steht fest im Raum. Damit habe ich nicht gerechnet. Jetzt bin ich sehr gespannt auf die von Cooltech behandelte Version. Zuerst einmal entdecke ich Ähnlichkeiten, auch hier spielen die Instrumente losgelöster und voller, wirken sogar etwas direkter. Ich kann sie noch deutlicher orten. Das Saxofon ist extrem klar und präzise und die Tiefe des Raums um den Serpent ist gefühlt unendlich. Doch bei wiederholtem Hören bemerke ich, dass mir die getemperte Platte ein wenig mehr zusagt. Sie sorgt für mehr Wärme, eine angenehmere Durchhörbarkeit. Die Kryo-Version geht dagegen etwas ins Analytische, vielleicht gerade deshalb, weil sie auf jedes Instrument einen Tick mehr Klarheit legt und ein bisschen detailbesessen scheint. Für mein Gefühl ist die Musik bei der getemperten Platte etwas mehr im Flow, während die kältebehandelte LP die Musik insgesamt neutraler wiedergibt. Schon diese beiden Versionen bieten genügend Stoff für Diskussionen.

In dieser Anlage werden die LPs auf -180 Grad heruntergekühlt
In dieser Anlage werden die LPs auf -180 Grad heruntergekühlt


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