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Wilson Audio – Watt/Puppy

06.05.2025 // Thomas Heinemann

Um zu hören, was die Watt/Puppy in den unteren Tonlagen kann, wähle ich „Eric Dolphy Album Musical Prophet (Resonance Records), aufgenommen 1969 im MPS-Studio in Villingen, und erstmals 1970 auf dem deutschen Label MPS veröffentlicht. Es gehört für mich zur Jazz-Avantgarde der besonderen Klasse und wurde von Resonance Records vor ein paar Jahren neu herausgebracht. Ich liebe das Titelstück „Muses for Richard Davis“. Es ist eine ruhige, fast spirituelle Ballade, die Davis' Kontrabass in Ton und musikalische Sensibilität in den Mittelpunkt stellt. Herrlich, wie der körperhaft samtig warm bis schnurrend holzige Ton von Davis, von Dolphys Bassklarinette mal harmonisch begleitend, mal mit einer dunklen, dann wieder mit einer obertonreichen Phrasierung begleitet wird. Es ist ein musikalischer Dialog zweier herausragender Künstler, der in der Wiedergabe sowohl Klasse von der Elektronik als auch vom Lautsprecher verlangt. Natürlich hätte ich für diese Klangbeschreibung auch Stücke mit knalligem elektrischem Bass wählen können – habe ich auch gehört, von Yellow bis … – glauben Sie mir, das kann diese Box ausreichend. Braucht es aber Tiefton mit Charakter, Klangfarben und einer körperlich spürbaren Energie – gerade bei akustischen Instrumenten – überzeugt auch hier die Wilson Audio: Holz, Schwingen, Körper und Energie kommen glaubwürdig zusammen und machen Jazz-Avantgarde, aber auch jedes andere Genre zu einem Erlebnis. Ich denke, es ist die gut ausgelegte Konstruktion der Watt und die gut gewählte Frequenzankopplung der Puppy, die diese Stimmigkeit und Natürlichkeit ohne Verfärbung ermöglichen. Die Fähigkeit der neuen Watt/Puppy, Räume und Körper exzellent zu reproduzieren, habe ich ja bereits an mehreren Stellen beschrieben. Aufnahmen in Hallen, Clubs, oder in großen Konzertsälen gehen da nochmals drüber hinaus und stellen ihre eigenen Anforderungen sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Wiedergabe. Ich schätze die Aufnahme der fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven, interpretiert von der renommierten Pianistin Mitsuko Uchida, begleitet von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle (Ludwig van Beethoven: Klavierkonzerte Nr.1-5, Label BPHR). Uchida überzeugt mit ihrer charakteristischen Klarheit und Eleganz, während Rattle mit seinen Philharmonikern mit Präzision, Tiefe und einem ausgeprägten Gespür für Beethovens Komposition begleitet. Der Konzertsaal – ich vermute die Philharmonie Berlin – ist dezent, aber hörbar mit natürlichem Hall und Luft wahrnehmbar. Die Orchestergruppen werden in ihrer Tiefe und Breite realistisch auf der Bühne dargestellt, während Uchidas Flügel transparent, warm und dennoch akzentuiert im Vordergrund eingebunden ist. Die Watt/Puppy entfaltet die Feinheit dieser Live-Produktion mit hoher Transparenz und Natürlichkeit, ohne aufzudicken kann sie faszinieren.

Der Blick in Innere des Treibers zeigt den komplexen Aufbau
Der Blick in Innere des Treibers zeigt den komplexen Aufbau

Zum Vergleich höre ich die Einspielung von Argerich und Abbado mit dem Mahler Chamber Orchestra: Sowohl die interpretatorischen Feinheiten als auch die audiophilen Aspekte sind klar heraushörbar. Die Aufnahme mit Argerich ist intimer und direkter, mit vergleichsweise weniger Tiefenstaffelung. Auch tonal fällt es leicht, die Unterschiede wahrzunehmen: Uchida/Rattle bieten eine höhere Durchdringung mit musikalischer Eleganz, während Argerich/Abbado eine emotional etwas packendere, lebendigere Interpretation gelingt – wenn es auch gelegentlich auf Kosten der klanglichen Balance geht. Mit der Watt/Puppy macht es jedenfalls Spaß, Interpretationen zu vergleichen. Timbre, dynamische Unterschiede, oder Feinheiten der Interpretation – alles ist da. Und wenn zudem die Aufnahme stimmt, begeistert sie auch mit einer exzellenten räumlichen und plastischen Abbildung. Dass der Lautsprecher auch laut und Rock und Pop kann, obwohl er so tiefe Einblicke in die Musik erlaubt und deshalb vielleicht als zu feingeistig dafür gelten könnte, war dennoch sehr schnell klar. Ich hörte alte Klassiker von Jimmy Hendrix bis Kraftwerk – die Watt/Puppy kann richtig Spass machen, mitreisend, emotional, packend. Zuletzt spielte ich Stücke aus Deep Purples Album Made in Japan (EMI Music Switzerland AG/2014): Einfach klasse, wie dieser Live-Mitschnitt unter die Haut geht…

Bei der Frage zur passenden Verstärkerleistung kann ich Entwarnung geben: Mit meiner Pass XA 25 AC, mit nominell 50 W Class A an vier Ohm konnte ich überaus zufrieden Musik jegliches Genre genießen. Besonders die authentische Tonalität der Pass war immer wieder eine Freude. Ein befreundeter Händler kam auf dem Weg zu einem anderen Kunden vorbei und hatte aus seiner Vorführung einen Aavik I-880 Vollverstärker dabei. Da ich die außergewöhnlichen Qualitäten des Verstärkers bereits kannte, war es verlockend, damit auch die Watt/Puppy zu hören. Wir haben von der Aavik allerdings nur die Endstufe genutzt, da ich in erster Linie einen Vergleich bei deutlich höherer Verstärkerleistung haben wollte. Zweimal 400 Watt an vier Ohm bringen noch mehr Griffigkeit und Kontur. Auch die dynamischen Fähigkeiten der Watt/Puppy wurden damit noch klarer. Am späten Abend hörten wir bei leisen Pegel Klaviermusik aus Nitai Hershokovits' Album von Call On The Old Wise (ECM Records/2023). Großartig wie dieser Lautsprecher auch bei unterschwelliger Begleitmusik doch immer wieder die Aufmerksamkeit zur Musik lenkt. Sicherlich auch ein Verdienst seines relativ hohen Wirkungsgrades.

Der Hochtöner der Watt/Puppy
Der Hochtöner der Watt/Puppy


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