12 Uhr Mittags. Das ist der gesetzte Beginn für den ersten Tag der Audio Video Show Warschau. Den Ausstellern gibt dies etwas mehr Vorbereitungszeit, aber auch ich bin froh, nach der späten Anreise am Donnerstag, vor dem Showdown etwas länger ausschlafen zu können. Im Gegenzug nimmt der Messetag den Rest des Tages bis 20 Uhr in Anspruch.
Freitags scheint die Messe traditionell weniger stark besucht zu sein. Teilweise ist in den Räumen im Hotel Radisson Blu Sobieski gar nichts los und selbst im Stadion bleibt es ruhig. Somit herrschen perfekte Voraussetzungen, um so viele Räume wie möglich zu besuchen und so viele Fotos wie möglich zu schießen. Die Aussteller lassen sich vom zurückhaltenden Messebeginn nicht verunsichern und verweisen auf den Samstag. Sie sollen Recht behalten. Am Samstag sind nicht nur die oft nur mit weniger als zehn Sitzplätzen ausgestatteten Messeräume im Hotel überfüllt, sondern selbst in den großzügigen Räumlichkeiten des Stadions findet man nicht nur keinen Sitz-, sondern auch keinen Stehplatz mehr. Oft sind die Ausstellungsräume über längere Zeiträume geradezu verstopft. An Fotos, geschweige denn Informationsaustausch mit den Ausstellern ist nicht mehr zu denken. Für den Veranstalter Adam Mokrzycki wird dies sicherlich eine hervorragende Besucherbilanz bedeuten. Am Sonntag wird es wieder etwas ruhiger, aber dennoch bleibt die Messe sehr gut besucht.
Während im letzten Jahr viele Hersteller mit Premieren aufwarteten – viele hatten die Pandemiejahre effektiv genutzt – konnte ich in diesem Jahr gar nicht so viele Neuheiten etablierter Hersteller ausmachen, die nicht schon auf anderen Messen aufgetaucht waren. Dafür bot die Messe wieder einige Newcomer, die weltweit überhaupt erstmalig zu sehen waren. Insbesondere für sie und kleine Garagenhersteller ist die Audio Video Show eine tolle Gelegenheit, sich zu präsentieren. Die Einstiegspreise für einen Messeraum fallen sehr moderat aus und die Plätze sind dementsprechend begehrt. Da muss man seinen Messeauftritt schon mal ein paar Jahre im Voraus planen. Genau das macht den Charme der Messe aus: Im Stadion und im Golden Tulip Hotel toben sich die großen Namen aus und im Hotel Sobieski machen ihnen Kleinsthersteller und Hobbyisten Konkurrenz. Es ist schön zu merken, dass auf der Audio Video Show Warschau die Leidenschaft noch deutlich im Vordergrund steht und es nicht nur ums Geschäft, sondern einfach um das gemeinsame Zelebrieren des Audio-Erlebnisses geht. Darüber hinaus sind, sofern man sich die Zeit nimmt und überall vorbeischaut, teilweise echte Juwelen zu finden. Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, ob das allgemeine Niveau der Präsentationen tatsächlich so hoch ist, oder meine Ohren einfach nur langsam alt werden. Der kostenlose „Hörtest“ im Parkdeck und auf den Gängen des Stadions beruhigte mich dann doch. Der 20 Kilohertz Pilotton der Lautsprecheralarmierungsanlage war aufgrund seines hohen Pegels nicht so unhörbar, wie er eigentlich sein soll. Natürlich wiederholen sich vielerorts aber auch die Vorführungen des letzten Jahres. Diese habe ich links liegen gelassen und empfehle Ihnen bei weiterführendem Interesse, doch einfach noch einmal durch die Berichte der letzten Jahre zu stöbern, falls Sie zu dem Zeitpunkt noch nicht mit an Bord waren. Sie finden alle Messeberichte unter der Rubrik „Events“ im oberen Bereich unserer Seite. Im vorigen Jahr habe ich die Berichterstattung der AVS Warschau erstmalig übernommen. In den Jahren davor haben Birgit Hammer-Sommer und Dirk Sommer sich ebenso wie nun ich daran versucht, die Messe so umfassend wie möglich für Sie abzubilden. Da die beiden Analogbegeisterten aufgrund meiner Beteiligung dieses Jahr mehr Freiraum hatten, haben sie gleich drei Tonbandvorführungen ihres kleinen Labels sommelier du son abgehalten. Das Label passt meiner Meinung nach sehr gut in das Gefüge der Audio Video Show, denn auch dieses wird aus Leidenschaft und nicht aus kommerziellen Beweggründen betrieben.
Die Vorführung im Raum von Ayon ist schon fast Tradition. Hier spielen Birgit und Dirk Ausschnitte aus der in diesem Jahr entstanden Live-Produktion in der ATR-Villa mit De-Phazz und Gasttrompeter Joo Kraus. Den Zuhörern wurden verschiedenste Versionen vorgeführt. Angefangen bei dem unbearbeiteten Live-Mitschnitt vom Band, über das von Christoph Stickel angefertigte Master-Tape bis zur fertigen Platte, die erst seit zwei Tagen offiziell verfügbar ist, konnten Unterschiede nachvollzogen werden. Sogar die sogenannte Lackfolie, eine Aluminiumscheibe mit Lackbeschichtung, in die das Signal vom Mastertape geschnitten wird, wurde für das Publikum gespielt. Abschließend wurde, wie auch bereits im letzten Jahr, eine kryogen behandelte Schallplatte mit einer unbehandelten vergleichen. Während ich im letzten Jahr bei diesem Vergleich zwar durchaus Unterschiede wahrnehmen konnte, diese aber eher im Raum „Geschmacksfrage“ einordnen würde, waren die Unterschiede für mich dieses Jahr offensichtlicher und die behandelte Platte klang klar besser – räumlicher, differenzierter und sogar die Feindynamik schien profitiert zu haben.