tests/25-03-11_canor
 

Canor Virtus I2 Premium Line

11.03.2025 // Wolfgang Kemper

Der Röhrenverstärker bezieht seine Ausgangsleistung von 2 mal 40 Watt im Ultra-Linear-Betrieb oder halb soviel im Trioden-Modus aus zwei KT-88 pro Kanal. Auch die Vorstufe arbeitet mit Röhren, und zwar mit zwei 12AT7 als Treiber. Eine 12AX7 besorgt die Phasenumkehr der zweiten Halbwelle. Der Virtus I2 ist optisch ernüchternd unspektakulär. Denn er bietet rein gar nichts vom Flair, das Röhren-Amps üblicherweise ausstrahlen, es sei denn, man schaut von oben durch die Lüftungsgitter in das Gerät hinein. Er ist daher eher nichts für Menschen, die die Illumination als Kaufkriterium sehen. Rein äußerlich könnte der I2 genauso ein Transistorverstärker sein, wenn da nicht rückseitig die zwei Anschlüsse für den Vier- und Acht-Ohm-Abgriff der beiden bei Canor gewickelten und in Öl getränkten Ausgangstransformatoren wären. Die optische Erscheinung des Virtus I2 ist eher dezent als protzig. Allerdings fällt sofort die erstklassige Verarbeitung ins Auge, die ein typisches Merkmal von Canor ganz allgemein ist. So ist über keinerlei Dekor-Schnickschnack zu berichten. Die Frontplatte trägt mittig den großen Lautstärkeregler, darunter in für die Marke typischem Gelb-Orange das Canor-Logo und den Schalter in und aus dem Standby. Schaltet man den Virtus I2 mit diesem oder per zum Lieferumfang gehörender handlicher kleiner Vollmetall-Fernbedienung ein, so beginnt zuerst die rote Standby-LED zu blinken und es erscheint rechts unten in großen Lettern der Canor Schriftzug. Alle diese beleuchteten Anzeigen liegen hinter der quer in die massive Alu-Front eingelassenen schwarzen Acrylscheibe. Sobald durch hörbares Relais-Klicken der Signalweg freigeschaltet ist, weil die Röhren jetzt stabil vorgeheizt sind, wechselt das Canor-Pictogramm zur Anzeige des gewählten Eingangs und gleichzeitig der eingestellten Lautstärke. Diese Informationen bleiben dann auch dauerhaft. Den Pegel merkt sich das Gerät beim Ausschalten in Standby und rekonstruiert ihn beim Einschalten. Eine Speicherung unterschiedlicher Lautstärken bezogen auf die einzelnen Eingänge gibt es nicht, was ich aber auch für überflüssig erachte. Schaltet man den Virtus I2 mit dem harten, rückseitigen Netzschalter aus, so meldet der Verstärker sich ebenfalls mit dem zuletzt eingestellten Pegel zurück. Der Wert wird demnach intern gespeichert. Vor dem harten Ausschalten sollte man den I2 aber in den Standby herunterfahren, was das Gerät mit dem Pictogramm „Shutdown“ anzeigt. Kaum sichtbar und somit zum dezenten Erscheinungsbild beitragend, sind links neben dem Canor-Logo untereinander drei Taster und rechts zwei Reihen mit je drei Tastern zu finden. Die linke Reihe macht folgendes möglich: Oben Mute, darunter die Umschaltung von Ulta-Linear auf Trioden-Betrieb, auch gerne im Spielbetrieb, und unten die Dimm-Taste. Diese ermöglicht, ebenso wie ihr Pendant auf der Fernbedienung, fünf Helligkeitsabstufungen oder eine komplett schwarze, unbeleuchtete Front. Die zwei mal drei Taster rechts dienen allein der Eingangswahl. Der Virtus besitzt vier Paar Cinch-Eingänge. Die beiden XLR-Eingänge funktionieren ausschließlich bei der Verwendung als Mono-Block. Dies bedeutet die Anschaffung eines zweiten I2, was nicht nur eine Verdoppelung der Ausgangsleistung bedeutet, sondern laut Armin Kern den Klang hinsichtlich Feinauflösung, Druck im Grundton, sensibler Dynamik und Leichtigkeit nochmals verbessern soll. Für den Mono-Betrieb finden sich rückseitig zwei XLR-Anschlüsse und ein Schalter für die Zuordnung der beiden Exemplare als Master und Slave. Denn es wird nur die Vorverstärkerstufe eines Gerätes benötigt und die des Slave komplett abgeschaltet. Ein RJ-45 Buchse dient als Steuerleitung für den Mono-Modus. Selbstverständlich müssen auch die Lautsprecher in diesem Falle anders angeschlossen werden, wozu die zusätzlichen Terminals dienen. Zwischen vier und acht Ohm muss dann nicht mehr unterschieden werden, weil sich dann schaltungstechnisch acht Ohm ergeben. In der Reihe der Cinch-Eingänge befindet sich noch ein Ausgangspaar mit nicht vom Lautstärkeregler abhängigem Pegel. Hier lässt sich beispielsweise eine Tonbandmaschine zur Aufnahme anschließen.

Die Vollmetall-Fernbedienung erlaubt die Steuerung aller wichtigen Funktionen. Allerdings kann mit ihr nicht zwischen Ultra-Linear- oder Trioden Betriebsart gewechselt werden. Vielleicht will man so hektisches Hin- und Her-Schalten vermeiden
Die Vollmetall-Fernbedienung erlaubt die Steuerung aller wichtigen Funktionen. Allerdings kann mit ihr nicht zwischen Ultra-Linear- oder Trioden Betriebsart gewechselt werden. Vielleicht will man so hektisches Hin- und Her-Schalten vermeiden

Armin Kern wollte natürlich gern erleben, wie sein Canor in meinem Hörraum klingt. Vom Test der SPL Performer s900 Endstufe standen noch die Analysis-Audio-Bändchen-Lautsprecher bereit, und somit hatte der Virtus I2 mit ihnen seine ersten Partner. Wir streamten in CD-Qualität von Qobuz Die Kluge von Carl Orff mit dem Leipzig Radio Symphony Orchestra unter dem Dirigat von Herbert Kegel (Eterna 1982). Armin Kern war erstaunt, wie gut der Virtus mit diesem Lautsprecher zurechtkommt. Sehr überzeugend war die klangliche Ausgewogenheit und die feine Auflösung der Musik und des Gesangs. Ihm gefiel vor allem die entspannte Wiedergabe, die trotz der nur vierzig Watt an den wirkungsgradschwachen Lautsprechern die Feindynamik nicht limitierte. Grobdynamische Sprünge kann die Analysis Audio eher weniger, aber leise haben wir in dem gut 20 Quadratmeter großen Raum nicht gehört, sondern mit einem dem Orffschen Werk angemessenem Pegel. Beim Umschalten von Ultra-Linear auf Triode hatten wir beide nicht das Gefühl, dass dies von Vorteil wäre. Ultra-Linear klang lebendiger und luftiger ohne hinsichtlich der Klangfarben etwas einzubüßen. Das wunderte mich ein wenig, denn die Air-Tight Monos, die ich inzwischen nicht mehr besitze, verhielten sich gänzlich anders. Dort klang der Trioden-Betrieb in allen Kriterien besser. Aber dies werde ich später an den wirkungsgradstärkeren Phonar Veritas 9.2SE überprüfen. Vierzig Watt aus zwei KT-88 rauszuholen ist nicht viel, da bringen andere es auf 25 Prozent mehr. Laut Armin Kern geht es hier um die optimale Nutzung der Röhren. Diese stammen von Electro Harmonix und arbeiten mit Autobias und Kathodenrückkopplung. Zdenek Brezovjak verwendet nur beste Exemplare, misst sie sorgfältig aus und kombiniert sie pro Gerät. Jede Röhre wird nummeriert und hat unter den Vieren im Virtus I2 ihren zugeteilten Arbeitsplatz. Diese Selektion wird festgehalten und archiviert, so dass im Falle eines Austausches stets ein Röhrenpaar mit so gut wie identischen Werten geliefert werden kann. Diese aufwändige Prüfverfahren namens Aladdin hat man im Hause Canor über einen Zeitraum von sechs Jahren selber entwickelt und verfeinert, um einen maximalen Qualitätsstandard sichern zu können. Der Verzicht auf die maximale Leistung der Röhre, so erfuhr ich, dient nicht nur einer klanglichen Optimierung, weil sie nicht im Grenzbereich arbeiten muss, sondern ebenfalls ihrer Lebensdauer. So eine akribische Selektion bedeutet einen zeitlichen und damit auch einen entsprechenden Kosten-Aufwand. Im Verstärker finden sich weitere Besonderheiten, die der Klangqualität dienen: Auffällig ist die MU-Metall Ummantelung der 12AT7 und 12AX7 zur Abschirmung. Diese Gehäuse drücken eine Spiralfeder von oben auf die Röhren. Das verbessert einerseits die thermische Ableitung zur Kühlung der Röhre, andererseits unterbindet es Schwingungen und damit den berüchtigten Mikrophonie-Effekt. Canor verwendet in seinen hochwertigen Komponenten einen besonderen Platinen-Aufbau. Sie nennen es CMT Technologie™. Die Platinen sind an unterschiedlichen Stellen in variierender Länge unterbrochen. Damit erreicht man, so Armin Kern, ein der freien Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung ähnliches günstiges Dielektrikum wie Luft und gleichzeitig hohe Fertigungsgüte und Konstanz. Der gesamte Aufbau ist nicht nur ordentlich, sondern geradezu liebevoll. Oder haben Sie schon mal eine Acrylglas-Abdeckung über der Stromversorgung als Schutz gesehen? Bei der Lautstärkeregelung verwendet Canor Relais mit getrennten Einheiten für den linken und rechten Kanal, um eine möglichst perfekte Kanaltrennung zu erhalten. In Ein-Dezibel-Schritten ist eine Absenkung bis zu -63 Dezibel möglich.

Die Rückseite bietet hochwertige Anschlüsse und ist übersichtlich geordnet
Die Rückseite bietet hochwertige Anschlüsse und ist übersichtlich geordnet

Um den Virtus I2 technisch zu erkunden, habe ich ihn freistehend und offen betrieben. Seine Verlustwärme aus dem reinen Class-A Betrieb hält sich da in Grenzen. Ein wohliger warmer Hauch über ihm verführt vielleicht zum Erwärmen der Hände. Jetzt schließe ich den Verstärker mit dem soliden Deckel, um festzustellen, das er dann ordentlich warm wird, so wie man es von einem Class-A-Röhrenamp auch wohl erwartet, was jedoch bei freier Platzierung unproblematisch sein dürfte. Bevor ich die zwar angenehm ausgewogen klingenden Analysis Audio gegen die wesentlich dynamik-freudigeren Phonar Veritas tausche, höre ich noch von Qobuz „Take My Breath Away“ von Malias Album One Grass Skirt to London, eine ausgezeichnete Aufnahme, besonders hinsichtlich Malias Stimme. An den Bändchen klingt der Gesang so authentisch, dass man glauben könnte, sie stünde dort zwischen den Lautsprechern. Piano, Bass, Orgelsound und Schlagzeug unterstützen Malia dabei feinfühlig und auf der imaginären Bühne sauber geordnet. Der Canor Virtus lässt dabei keinen eigenen Fingerprint erahnen, sondern reproduziert mit souveräner Gelassenheit und tonal perfekter Ausgewogenheit. Selten hat dieser Lautsprecher so wirklichkeitsnah und gleichzeitig die Spannung der Musik vermittelnd geklungen.


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