Ich muss zugeben, dass mich die Idee der 120-Volt-Technik ziemlich beeindruckt hat. Ich ließ mich sogar dazu hinreißen, den Phonitor 2 kurz anstelle von Einsteins The Preamp in meine Kette einzuschleifen. Der SPL machte seinen Job überraschend souverän, reichte aber nicht an die faszinierende Aura des mit 18 Röhren bestückten, zehnmal so teuren Boliden heran. Der Einstein bot eine größere imaginäre Bühne und verwöhnte mit dem so schwer in Worte zu fassenden gewissen Etwas – eine Einsicht, die nicht gegen den Phonitor spricht, der ja außer einer Vorstufe zugleich auch noch ein hervorragender Kopfhörerverstärker mit Lautsprecher-ähnlicher Abbildung ist. Einige Tage später jedoch verabschiedeten sich zwei Feinsicherungen im Netzteil der Higher-Fidelity-Vorstufe, die im Wohnzimmer in der Anlage meiner Gattin Dienst tut – in Kooperation mit einem Brinkmann Avance, ein Accuphase-Tuner, Einsteins The Power Amp und Acapellas Violon MK VI. So übernahm der Phonitor 2 kurzzeitig die Rolle der damals ebenso kostspieligen wie anerkannt guten HF-Transistorvorstufe und sorgte für eine so offene und fein durchgezeichnete Wiedergabe, wie ich sie von dieser Kette bisher nicht kannte. Mir fällt jedenfalls keine andere Vorstufe zu diesem Preis ein, die so klar, sachlich und einfach ehrlich musiziert wie die Phonitor 2. Die Endstufe für den Kopfhörer gibt es da wie gesagt noch obendrein. Wer High-End-Komponenten gewohnt ist, wird schnell den einzigen Kritikpunkt am Phonitor 2 finden: seinen Gehäusedeckel. Der klingt nämlich lange nach, wenn man mal leicht dagegen klopft. Ein Problem, das SPL allerdings auch schon erkannt hat und in nicht allzu ferner Zukunft auf eine überraschende Weise beheben wird.
Da sich Erkenntnisse über Geräte ja am besten im A/B-Vergleich gewinnen lassen, fahndete ich in der Redaktion, im Fotostudio und bei den Kollegen nach einem Kopfhörerverstärker und stieß auf den Teac HA-501, den Bert Seidenstücker getestet und gelobt hatte. Ich habe erst einmal die passende Dämpfung für den LCD-X gesucht – high – und dann bei einigen Testscheiben mit dem Audeze zwischen den beiden Verstärkern gewechselt. Im minimal überbetonten Bassbereich gab es so gut wie keine Unterschiede, Feininformationen wie langsam verebbende Hallfahnen waren aber über den Phonitor länger zu vernehmen. Er bringt einfach mehr Auflösung, ohne dabei höhenbetonter oder heller zu klingen. Den deutlichsten Unterschied entdeckte ich aber bei ganz „normaler“ Pop- oder Rock-Musik, etwa bei Van Morrison oder Tom Waits. Bei etwa gleicher gemäßigter Lautstärke kam beim Teac leicht der Wunsch auf, lauter zu drehen. Der Phonitor 2 hingegen präsentierte die Songs schon bei geringerem Pegel voller Spannung und Intensität. Er verwöhnte selbst bei sehr gehörfreundlichen Lautstärken mit jeder Menge Information und Emotion: eine hervorragende Voraussetzung für stundenlangen Musikgenuss.
Wenn da nur nicht die unnatürlich breite Stereobasis wäre! Aber die verschwindet beim Phonitor 2 sofort, sobald man beim Matrix-Schalter „All“ wählt und damit die Crossfeed-, Speaker Angle- und Center-Einstellungen aktiviert: Der Klang löst sich von den Schallwandlern, die Stereobasis wird realistischer, weil schmaler, der bei allen mir bekannten Kopfhörern zumindest leicht überhöhte Bass wird ein wenig abgeschwächt und, auch wenn sich bei mir keine Vorne-Ortung einstellt, erscheint die Im-Kopf-Lokalisation deutlich weniger störend. Ja, man bekommt sogar eine glaubwürdige Vorstellung von der Größe des Aufnahmeraumes. So machen Kopfhörer auch eingefleischten Lautsprecherfans Spaß!
© 2024 | HIFISTATEMENT | netmagazine | Alle Rechte vorbehalten | Impressum | Datenschutz
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.