Ich hatte erfreulicherweise die Gelegenheit, etwa zehn Wochen mit der WestminsterLab-Kombination leben zu können. Das gibt mir die Gewissheit, ihre Fähigkeit richtig einschätzen zu können, birgt aber auch die Gefahr, mich allzu sehr an diese gar nicht glänzenden und funkelnden Schmuckstücke zu gewöhnen. Dabei rede ich nicht von ihrem Klang. Nachdem ich mich fast drei Jahrzehnte in der zunehmend kostspieliger werdenden HiFi-Szene getummelt habe und immer wieder Geräten begegnet bin, die durch Chrom oder gar Gold oder aber durch verschwenderischen Materialeinsatz oder ihre schiere Größe ihren immensen Preis zu rechtfertigen versuchen, wirken die WestminsterLab-Verstärker in ihrer Kompaktheit und optischen Unaufgeregtheit auf mich extrem attraktiv. Natürlich sind auch sie alles andere als günstig, aber im besten Sinne des Wortes preiswert. Und zwar wegen ihrer enormen klanglichen Leistungen.
Die hätte ich nach dem ersten Hören zwar nicht falsch, aber doch wohl ein wenig einseitig gewürdigt. Beim bereits erwähnten Besuch von Angus Leung und Krey Baumgartl hatten wir zuerst die beiden Rei gegen die Einstein-Hybridendstufe getauscht, und ich war von der nun noch großzügigeren räumlichen Abbildung rundum begeistert. Als ich ein paar Tage später meiner Gattin die besonderen Fähigkeiten der Rei demonstrieren wollte, erwischte ich eine tonal wohl weniger gelungene Aufnahme, bei der die WestminsterLab-Monos zwar auch mit einer großen virtuellen Bühne brillierten, ich den im Vergleich zum Poweramp minimal schlankeren Bassbereich aber eher als leichtes Manko empfand. Danach habe ich mich dann erst einmal auf den Quest eingehört und war nach kurzer Zeit so überzeugt von seinen Fähigkeiten, dass ich mich auch bei Tests auf ihn verlassen habe: In Sachen Feinauflösung, Detailfreude und tonaler Stimmigkeit kann er locker mit dem Audio Exklusiv R7 mithalten und bezaubert zudem noch mit einer einen Hauch ausgedehnteren Raumillusion. Dass er nur eine Ebene des Racks beansprucht – der R7 braucht wegen seines relativ riesigen externen Netzteils zwei –, ist zumindest dann von Vorteil, wenn sich mal wieder Testgeräte im Hörraum drängeln. Dennoch gibt es einen kleinen Wermutstropfen, und das ist die an sich elegante Art seine Bedienung, die nur per Fernbedienung möglich ist. Daran ist nicht das Geringste auszusetzen – solange sie funktioniert. Als dann aber doch einmal die Batterien leer waren, konnte ich dank der teilweise kompatiblen Fernbedienung des R7 zumindest noch die Lautstärke regeln und die Mute-Funktion nutzen. Besitzer eines Quest sollten also besser immer zwei CR2032-Kopfzellen in Reserve haben…
Nachdem ich mich intensiv mit dem Quest angefreundet hatte, widmete ich mich auch wieder den Rei, wobei ich die üblichen Testscheiben erst einmal außen vor ließ. In Kombination mit dem Quest gab es vor allem beim abendlichen Musikgenuss nur eine Auffälligkeit: die faszinierend große Darstellung der – virtuellen – Aufnahmeräume. Etwas später begann ich dann, die Kombination mit meinem Teststücken für den Tieftonbereich zu malträtieren: Als erstes war es das Fußstampfen auf einem resonierenden Holzboden in Kombination mit wuchtigen Paukenschlägen auf Misha Alperin „Heavy Hour“ vom Album Night, dann Jonas Hellborgs Bassgitarre auf „Wounded Knee“ vom Album The Silent Live, danach Abddullah Ibrahim und Ekayas „Calypso Blue“ von Sotho Blue und schließlich die Reference-Recording-Aufnahme von Berlioz' „Marsch zum Schafott“ aus der Symphonie Fantastique: Bei keinen der wohlbekannten Tracks habe ich auch nur einen Tick Tieftonenergie vermisst, dafür aber eine ansatzlos schnelle und präzise Basswiedergabe genossen. Auch die Rei spielen über den gesamten Frequenzbereich tonal stimmig und ausgewogen. Ihre nahezu holographische Abbildung erkauft man sich nicht mit dem allerkleinsten Verzicht auf wohlige Schwelgereien in Tieffrequentem.
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